Mozart mit Marter aller Arten

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Höchste Qualität, ausgesuchte Themen - was eine Wiener Festwochen-Produktion ausmachen sollte, gelingt Benedikt von Peters Inszenierung basierend auf der "Entführung aus dem Serail" an keiner Stelle.

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Höchste Qualität, ausgesuchte Themen - was eine Wiener Festwochen-Produktion ausmachen sollte, gelingt Benedikt von Peters Inszenierung basierend auf der "Entführung aus dem Serail" an keiner Stelle.

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Was eine Festwochen-Produktion ausmachen sollte, ist rascher gesagt als realisiert: höchste Qualität, gezeigt an ausgesuchten Themen. Warum nicht an Mozarts "Entführung aus dem Serail", deren Inhalt aktueller ist denn je? Das hat man sich am Theater Bremen vorgenommen, das Ergebnis dieser Auseinandersetzung wollte man auch bei den Wiener Festwochen zeigen. Noch dazu, wo es sich um eine Produktion abseits jeglicher Routine handelt.

"Les Robots ne connaissent pas le Blues oder Die Entführung" dreht sich zwar um Mozarts Singspiel, dieses bietet aber nur die Grundlage, und das nur in Ausschnitten. Weshalb man gerade auf diese Ausschnitte gesetzt hat, lässt die Produktion offen. Das war nicht das einzige Manko dieses Abends im Museumsquartier, wie sich bei der Premiere zeigte: Manche Besucher verließen schon sehr bald die Aufführung, andere legten zwischendurch eine Pause ein, kehrten am Ende zurück, um wenigstens die Finalpointe mitzuerleben. Und die, das sei vorweg verraten, ist die Liebe -auch wenn es zwischendurch einige Zweifel gab. Wie können, so das Argument dieser Performance, auch sechs Männer und zwei Frauen wirklich in Liebe zueinander finden?

Aber geht es in Mozarts "Entführung" nicht auch um sehr Politisches? Macht es damit nicht Sinn, auf Europa hinzuweisen, in dieser Szenerie in Gestalt der als Engländerin gezeichneten Blonden? Wie können sich auch die Europäer anmaßen, Hüterin der Freiheit zu sein, wenn sie sich an die Geschichte ihrer Kolonien erinnern, wie wenig Bewegungsfreiheit sie damals ihren Untertanen gewährt haben?

Bewusst unfertig, unschlüssig?

Liebe oder doch mehr Analyse, wie man ziemlich stereotyp am Beginn dieses Abends immer wieder hörte? So wirklich können sich die Gestalter dieser sehr anderen "Entführung" nicht entscheiden, was sie wollen. Vor allem: was sie mit diesem zweieinhalbstündigen Stück beim Publikum erreichen möchte. Das ist auch schwer, wenn man selbst nicht weiß, was man von der Mozart'schen Ausgangsbasis halten soll, wie man unschwer den Interviewbeiträgen der beiden Regisseure, Monika Gintersdorfer und Benedikt von Peter, im ausgesucht schmalen Programmheft entnehmen kann. Da verwundert es nicht, dass sie offen lassen, warum sie vorweg nur auf eine Auswahl dieser Mozart-Partitur mit afrikanischen Elektro-Beats in unterschiedlichste Verbindung für ihre Reflexion - und als solche ist dieses Stück wohl zu sehen - gesetzt haben. Soll damit bewusst Unfertigem, Unschlüssigem das Wort geredet werden? Und was hat es damit auf sich, wenn am Anfang einer der afrikanischen Darsteller erklärt, Mozart nicht zu kennen und an seiner Genialität zu zweifeln, aber sehr wohl zu wissen, dass Mozart und Hitler Österreicher sind? Nicht nur in diesem Kontext ein unpassend-gequälter Hammerkeulenschlag, selbst wenn Regisseur Peter ausdrücklich betont, dass es ihm bei diesem Stück, für das Ted Gaier das Sounddesign beigesteuert hat, nicht um Regie-Ideen geht. Vielmehr wolle man sich "sehr komplexen Sachverhalten in der Wirklichkeit nähern."

Soll man dies auch als Antwort zum Konzept selbst verstehen -etwa, dass nie beabsichtigt war, Lösungen aufzuzeigen, anstelle dessen der Fokus auf einzelne, beliebig erscheinende Mosaiksteine gelegt wurde? Wenigstens würde das erklären, warum Spontaneität und nicht höchste Professionalität im Zentrum dieses Musiktheaters steht, wie die sich meist hopsend auf der Bühne bewegenden Darsteller und Darstellerinnen deutlich machten, wenn sie sich als Sänger produzierten. So kann die Marter-Arie auch wirklich zu einer solchen werden, - für die Sängerin wie das Publikum. Wenig glanzvoll spielte auch die Camerata Salzburg unter dem steif taktierenden Jonathan Stockhammer.

Bleibt offen, was man mit dieser unausgereiften Produktion wollte? Demonstrieren, dass Musiktheater, egal, in welcher Form, überall besser aufgehoben ist als bei den Wiener Festwochen? Jedenfalls erweckte dieser im wahrsten Wortsinn "Mozart-Verschnitt" einen solchen Anschein.

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