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Salzburger Festspiele: Ein musikalisch und szenisch rundum gelungener "Titus" in der Felsenreitschule.

Zwischen größter Bewunderung und dem Ruf der Unaufführbarkeit schwanken die Meinungen über "La clemenza di Tito". Und keine der großen Opern von Wolfgang Amadeus Mozart erzeugen, was Interpretation und Wertung betrifft, heute wie damals ähnlich große Probleme wie dieses Spätwerk. Denn das über Auftrag der böhmischen Stände als Krönungsoper zu Ehren von Kaiser Leopold II. 1791 in Prag uraufgeführte Werk gilt als szenisch schwer belebbar. Deshalb ist bei diesem psychologischen Kammerspiel um die nicht mehr nachvollziehbare, alles verzeihende Güte des römischen Kaisers Titus ein hohes Maß an Fähigkeiten der Interpreten gefordert, um es wirkungsvoll auf die Bühne zu stellen.

Nach dem Beginn der kongenialen Festspiel-Allianz, die sich 2002 in einem höchst erfolgreichen, heuer wiederaufgenommenen "Don Giovanni" manifestierte, erkunden nun Nikolaus Harnoncourt und Martin KuÇsej in der Felsenreitschule den "Titus". Und man erlebt eine intelligente und bejubelte Verschmelzung szenischer und musikalischer Ideen.

In der beeindruckenden Baustelle eines viergeschoßigen Riesenpalasts mit vielen, für Auftritte geschickt genützten Zellen und Treppen und einem in dunklem Marmor gehaltenen Kaisersaal im Zentrum (Bühnenbild: Jens Kilian) zeigt uns KuÇsej zeitlose und eindringliche Bilder. Abgesehen von einigen Rätseln (Kinder liegen im Finale auf der Festtafel) und inszenatorischen Derbheiten (laute Explosionen und Feuerwalzen beim Brand des Kapitols) geht es KuÇsej, der das Werk als Nachtstück und düsteres Pendant zur "Zauberflöte" sieht, um die Tiefe der Figuren und deren Konflikte wie Machtbesessenheit, sexuelle Abhängigkeit. Das erreicht er durch eine handwerklich perfekte und bis ins kleinste Detail gehende Personenführung, bei der es keinen szenischen Leerlauf gibt, sondern große Spannungen erzeugt und die tiefe Melancholie der handelnden Figuren enttarnt wird.

Und auch Nikolaus Harnoncourt zeigt diese melancholischen Schatten. Mit den luxuriös disponierten Wiener Philharmonikern nimmt er sich viel Zeit und lässt in breiten Tempi, großer Transparenz und Farbenreichtum, aber auch beklemmender Intensität musizieren.

Rare Stunden einer Mozartpflege auf höchctem Niveau erlebt man auch im Sängerensemble, das von festspielreifer Güte ist. Michael Schade singt den Titelhelden mit herrlichem, nuancenreichem Timbre, perfekter Technik und makelloser Interpretation, auch in den selbstzweiflerischen, manchmal geflüsterten Pianostellen. Dorothea Röschmann singt eine nicht nur rachsüchtige, lüsterne Vitellia mit großer Differenzierungskunst und perfektem Ausdruck. Als ihr Werkzeug: Sesto, Freund des Kaisers und zwiespältiger "Verräter", den Vesselina Kasarova mit ausdrucksstarkem Mezzosopran und mit unüberbietbarem Schattierungsreichtum glaubwürdig singt. Als Servilia ist die bezaubernde Barbara Bonney zu erleben. Eine Entdeckung schlechthin ist die blutjunge Lettin Elina Garanca als bubenhafter Annio mit einem wunderbar geführten Mezzosopran - ein Name, den man sich ebenso merken sollte wie jenen des jungen Italieners Luca Pisaroni mit seinem wohlklingenden Organ in der Partie des Publio. Der makellos singende Wiener Staatsopernchor (Einstudierung: Rupert Huber) rundet den positiven sängerischen Gesamteindruck ab.

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