Mr. LSD auf seinem letzten Trip

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Eigentlich suchte der junge Chemiker in den Basler Labors von Sandoz (heute: Novartis) nach einem Kreislaufmittel. Die Entdeckung, die Albert Hofmann weltberühmt machte, ereignete sich am 18. April 1943 also eher zufällig. Bereits fünf Jahre zuvor hatte er die Lysergsäure als Wirkstoff des Mutterkorns, eines vor allem auf Getreide schmarotzenden Pilzes, identifiziert und daraus verschiedene Verbindungen hergestellt. Aus einer "merkwürdigen Vorahnung" heraus synthetisierte er an diesem Tag eine dieser Verbindungen ein weiteres Mal: das Lysergsäurediethylamid.

Doch als er am Nachmittag das Endprodukt aufreinigte, war ihm plötzlich unwohl, so dass er heimging, um sich auszuruhen. Später vermerkte er dazu in seinem Labor-Protokoll: "Zu Hause legte ich mich nieder und versank in einen nicht unangenehmen rauschartigen Zustand, der sich durch eine äußerst rege Phantasie kennzeichnete. Im Dämmerzustand bei geschlossenen Augen wirkten dagegen ununterbrochen phantastische Bilder von außerordentlicher Plastizität und mit intensivem, kaleidoskopartigem Farbenspiel auf mich ein. Nach zwei Stunden verflüchtigte sich der Zustand." Unabsichtlich hatte er wohl geringe Spuren einer bewusstseinsverändernden Chemikalie über die Haut aufgenommen. Nur welche? Nicht sofort fiel sein Verdacht auf das von ihm hergestellte Produkt - weil Tierversuche damit schon vor Jahren unbefriedigend verlaufen waren. Doch alle anderen Möglichkeiten waren bald ausgeschlossen und so wagte er einen Selbstversuch mit einer kleinsten Menge des Stoffs. Dabei erfuhr er die erstaunliche halluzinogene Wirkung des LSD (so das bekannte Kürzel für die "Säure") abermals am eigenen Leib.

Medikament oder Droge?

In den folgenden zwei Jahrzehnten wurden verschiedenste medizinische Behandlungskonzepte mit LSD entwickelt: Vielversprechende Ergebnisse zeigten sich etwa bei Alkoholikern, die von ihrer Sucht loskamen, oder bei autistischen Personen, die durch LSD ansprechbar und therapierbar wurden. Zahlreiche Wissenschafter waren folglich von "Delysid" - so der Markenname des Medikaments - begeistert. Die Wende kam, als Mitte der 1960er Jahre die Hippies "Acid" als Partydroge für sich entdeckten. LSD wurde bald als Betäubungsmittel gebrandmarkt - und schließlich als solches verboten. Dabei kritisierte auch dessen Erfinder all jene, die - wie Timothy Leary - LSD als Weg zur Erleuchtung propagiert hatten. Er betonte etwa, dass LSD "keine Pleasure-Drug" sei, ja dass ein exzessiver Gebrauch "saumäßig gefährlich" sein könne. Gleichzeitig war er stets der Ansicht gewesen, dass die Entscheidung, LSD zu verbieten, eine rein politische gewesen sei. Bis zum Ende seines Lebens hat der Chemiker deshalb für die Rehabilitierung seines "Sorgenkinds" gekämpft. Ein kleiner Erfolg wurde ihm zuletzt in seiner Heimat, der Schweiz, zuteil. Dort läuft seit Ende 2007 eine Pilotstudie, bei der die Angst lösende Wirkung von LSD bei psychisch Kranken erprobt wird. Auch in den USA setzen einige Psychiater seit kurzem wieder auf die positiven Effekte von LSD (und anderen psychedelischen Substanzen). Wann und ob die erneute Anerkennung des Rauschgiftes als Heilmittel gelingt, ist offen.

Albert Hofmann wird sie jedenfalls nicht mehr miterleben. Er ist vergangene Woche in seinem Heimatort Burg im Kanton Basel-Land 102-jährig verstorben. TM

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