Mühsam-verschwitzter sommerlicher Dialog

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"Die schönen Tage von Aranjuez“ von Peter Handke und Luc Bondy bei den Wiener Festwochen. Schwülstige Monologe, verstreute Querverweise - schwierig den Überblick zu behalten.

Das erste Mal, du mit einem Mann, wie ist das gewesen?“ Handkes neuestes Stück geht gleich von Beginn weg in die Vollen. Ein Mann und eine Frau (Jens Harzer und Dörte Lyssewski) sprechen über ihre Beziehung, die Liebe im Allgemeinen und Sexabenteuer im Besonderen. Kurz zusammengefasst ergibt das den Inhalt dieses "leichten Sommerdialogs“. Handke hat ihn vollgepackt mit schwülstigen Monologen und verstreuten Verweisen auf Philosophie, Theater und Natur. Sowohl Publikum als auch Regie und Schauspielern macht er es dabei ganz schön schwer den Überblick über die lose aneinandergereihten Themenblöcke zu behalten.

Seltsames Frage-Antwortspiel

Die königlichen Gärten des spanischen Hofes in Aranjuez sind auf der Bühne des Akademietheaters (gestaltet von der Tochter des Autors Amina Handke) zu zwei schäbigen Stellwänden verkommen. In seitenverkehrter Sicht blicken die Zuschauer auf einen geschlossenen Theatervorhang, der weit ins Bühneninnere hineingerutscht ist, davor allerlei Requisiten, ein Kleiderständer, ein Gartentisch und zwei Klappsessel. Vogelgezwitscher ist zu hören, während der Zuschauerraum noch hell erleuchtet ist, treten zwei Schauspieler auf, gekleidet in der spanischen Hoftracht des 16. Jahrhunderts, sie im schwarzen Kleid, er nur in schwarzer Unterhose mit Kniestrümpfen und Halskrause. Das Publikum findet sich auf der Bühnenhinterseite, mitten in der Probenarbeit zu Schillers "Don Karlos“, wieder.

Die Theaterkostüme werden bald ausgezogen, der Saal wird abgedunkelt, und zwischen dem Paar beginnt ein Frage-Antwortspiel. Während die Frau über ihre gemeinsamen Liebesnächte und außerehelichen Erfahrungen erzählt, hat der Mann Besseres zu tun als aufmerksam zuzuhören. Er muss sich Bärte und Hüte überziehen, den Kleiderständer durchwühlen, Badminton spielen, bunte Taschentücher aus dem Ärmel zaubern und Champagner über den Tisch verschütten. Harzer spielt den hyperaktiven Ehemann und Lyssewski seine stoisch-unbeeindruckte Gattin dabei so überzeugend, dass man stellenweise den Eindruck bekommt, einem Sketch von Loriot und Evelyn Hamann beizuwohnen.

Nach ihren Erzählungen folgen seine Erklärungen, über die Welt und über ihre Fauna und Flora. Harzers prägnanter Stimme und seiner selbstironischen Ausdruckskraft ist es zu verdanken, dass man dabei gar nicht in Versuchung kommt, hinter dem ausschweifenden Naturkundeunterricht einen tieferen Sinn zu suchen. Das wird einem sowieso schwer gemacht, denn auch während dieser Deklamationen agiert Harzer als fröhlicher Theaterclown, der ständig seine Kostüme wechselt, sich einen Indianerkopfschmuck aufs Haupt setzt, Theaterblut verschmiert und von zwei Pistolenschüssen aus dem Off kurzfristig außer Gefecht gesetzt wird. Gegen Ende geht der Vorhang auf und lässt einen sternenklaren Nachthimmel erkennen, auf den Mann und Frau zuwandern. Wie dieser Sommer(proben)tag ausgeht, ist ungewiss, vielleicht trennen sich die beiden, vielleicht sind sie einander doch wieder näher gekommen, vielleicht bleibt aber auch alles beim Alten und die Zuschauer waren bloß Zeugen eines unbedeutenden Spiels zweier gelangweilter Akteure, die sich hinter der Bühne nur die Zeit bis zum nächsten Auftritt vertreiben wollten.

"… vergebens hier gewesen“

Zwischen den Slapstick-Einlagen und peinlichen Befragungen hat Luc Bondy diese Festwochen-Uraufführung mit kakophonischen Geräuschkulissen, Musikeinspielungen, filmischen Projektionen und - auch in Handkes Text vielfach zitierten - Passagen aus Tennessee Williams’ Melodram "Endstation Sehnsucht“ sowie Baudelaires "Blumen des Bösen“ angereichert. Bondys Regiekonzept wirkt dabei wie ein fortwährendes Ablenkungsmanöver, um von den poetischen Ergüssen seines Autors wegzuführen. Ebenso wie das Stück selbst stimmt auch die Inszenierung ratlos. Das alles ist nur erträglich dank zweier famoser Theaterkünstler: Lyssewski und Harzer kann dieser verschwitzte Sommerdialog nichts anhaben. Wie heißt es weiter bei Schiller über die schönen Tage von Aranjuez: "Verlassen es nicht heiterer. Wir sind vergebens hier gewesen.“

Weitere Termine

24., 26., 27. Mai, 1., 2., 5., 7. Juni

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