Mundl-Fiasko, Alpengrauen, Altersfantasien

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Dreimal österreichisches Kino: Otto Tausig brilliert in "Love Comes Lately", Andreas Prochaska macht in "In 3 Tagen bist du tot 2" die Alpenrepublik ein weiteres Mal zum Horrorplatz und Karl Merkatz & Co stürzen in "Echte Wiener" filmisch ab.

Von Erzählungen eines Literatur-Nobelpreisträgers über blutige Horror-Fantasien bis hin zu einst kultiger Gemeindebau-Poetik reicht die Bandbreite an Filmen, die mit österreichischer Beteiligung über die Weihnachtsfeiertage an den Kinostart gehen - mit höchst unterschiedlichem Erfolg.

Während es der heimischen Schauspiel-Legende Otto Tausig überzeugend gelingt, Kurzgeschichten aus der Feder von Isaac Bashevis Singer in "Love Comes Lately" cineastisches Leben einzuhauchen, müht sich Austro-Regisseur Andreas Prochaska mit seinem Horror-Sequel "In 3 Tagen bist du tot 2" ab, um an den Erfolg seines Genre-Erstlingwerks anzuschließen.

Und dass man am eigenen Vorbild auch scheitern kann, zeigt das dritte Beispiel des heimischen Film-Reigens: Als Fernsehfamilie längst in die Annalen der TV- Geschichte eingegangen, verpasst der "Sackbauer"-Clan rund um "Mundl" Karl Merkatz die Chance, mit ihrem Kino-Ausflug "Echte Wiener" auch auf der Leinwand Kultstatus zu erlangen.

Einer, der sich und dem Publikum längst nichts mehr beweisen muss, ist der 1922 in Wien geborene Otto Tausig. Egal, ob Film, Fernsehen oder auf den Brettern, die die Welt bedeuten, der "wunderbare Mensch und Menschendarsteller" (© Frédéric-Gérard Kaczek, Leiter des "Jüdischen Filmfestivals Wien") hat bereits in sämtlichen Genres bewiesen, wie groß sein künstlerisches Potenzial und sein schauspielerisches Œuvre ist. Nun tut er dies aufs Neue: in der berührend inszenierten Tragikomödie "Love Comes Lately" von Jan Schütte.

Chuzpe eines 80-Jährigen

Dem aktuellen Trend europäischer Arthouse-Produktionen folgend beschäftigt sich der deutsche Regisseur in seiner filmischen Zusammenführung dreier Kurzgeschichten des Literatur-Nobelpreisträgers Isaac Bashevis Singer mit Fragen der Lebens- und Liebeslust im Alter. Anders als Andreas Dresens "Tabubrecher"-Film "Wolke 9" thematisiert Schütte dieses Thema auf subtilere Art und Weise - entführt Publikum und Protagonisten in ein surreales Melodram voller Witz, Melancholie und Doppelbödigkeit.

"Ich habe mir einen Film vorgestellt, in dem Träume und Wirklichkeit, Verlangen und Erfüllung, Fantasie und Alltag gemeinsam eine Geschichte ergeben, genauso melancholisch und optimistisch, genauso sehnsüchtig und vielversprechend wie der Frühlingshimmel in Vermont", kommentiert Schütte seinen Film, in dem Tausig bereits zum dritten Mal (nach "Auf Wiedersehen Amerika" und "Supertex - Eine Stunde im Paradies") vor der Kamera des deutschen Filmemachers stand. Vielleicht mit ein Grund, weshalb "Love Comes Lately" trotz der inhaltlichen Bedeutungsschwere leichtfüßig und mit jeder Menge Chuzpe die absurden Alltagsfantasien eines 80-jährigen Schriftstellers beleuchtet, der einem Flirt mit dem anderen Geschlecht nie abgeneigt ist - es bei Gelegenheit auch mehr werden kann.

Harter Austro-Horror zum Zweiten

Auch beim zweiten Film mit Österreich-Faktor geht es um mehr: mehr Blut, mehr Suspense und Klischees. Austro-Regisseur Andreas Prochaska setzt bei seiner Fortsetzung von "In 3 Tagen bist du tot" auf "harten Survival-Horror". Konsequent und radikal verlagert er das Setting von "In 3 Tagen bist du tot 2" in die verschneite Bergwelt Tirols, wo Protagonistin Nina - wie in Teil eins überzeugend von "Undine Award"-Preisträgerin Sabrina Reiter verkörpert - auf ihrer traumatisierten Spurensuche nach einer verschwundenen Freundin in einem realen Alptraum landet.

Zu gute halten muss man Prochaska, dass er trotz seines Rückgriffs auf gängige Genre-Versatzstücke, nicht der Versuchung erliegt erneut dem "Zehn kleine Negerlein"-Prinzip amerikanischer Teenie- Slasherfilme zu folgen - eine Gruppe Jugendlicher der Reihe nach auf die Schlachtbank des Grauens zu führen. Im Gegenteil: Die atmosphärisch-dichte Konzentration auf die Hauptfigur verstärkt den Identifikationseffekt mit dem Opfer. Warum allerdings im letzten Drittel des Films der gelungene Suspense-Moment zugunsten plumper Gewaltorgien aufgegeben wird, können nur Slasherfilm-Freunde beantworten.

Mundl. Ein echtes Trauerspiel

Es ist ein echtes Trauerspiel. Und damit ist noch nicht einmal die Tatsache gemeint, dass "Mundi" Edmund Sackbauer (Karl Merkatz) seine sieben Zwerge packen muss, weil sein Schrebergartenhäuschen einer Autobahn weichen muss. Oder dass Tochter Hanni (Erika Deutinger) mit Sohn Olaf weit weg in Deutschland lebt. Oder dass Enkel René (Manuel Rubey) an Burn-Out leidet und sein Sohn Edi (Pascal Giefing) süchtig nach Alkopops ist. Gemeint ist der Umstand, dass die Kinofassung der "Echte Wiener"-Saga in einem kläglich unbeholfenen Verschmelzungsversuch von Kult und Gegenwart geradezu gewaltsam ein Stück österreichischer Seele wiederzubeleben versucht, das in nostalgischem Frieden seit 30 Jahren so schön ruht.

Offenbar mangels guter Drehbuchvorlage von "Mundl"-Vater Ernst Hinterberger ergeht sich Regisseur Kurt Ockermüller in ideenloser Aneinanderreihung von Sequenzen, die ihm nur als Teppich für Zwangs-Sager wie "Mei Bier is net deppat" dienen, und die er um die Vorbereitungen zu Mundls 80er-Geburtstags-Feier gruppiert. Doch der wahre Kern fehlt schmerzlich: Echte Melancholie, Ironie, Humor. Stattdessen: Ein unfreiwillig echtes Trauerspiel.

Love Comes Lately

D/A/USA 2007. Regie: Jan Schütte. Mit Otto Tausig. Filmladen. 85 Min.

In 3 Tagen bist du tot 2

A 2008. Regie: Andreas Prochaska. Mit Sabrina Reiter. Lunafilm. 108 Min.

Echte Wiener - Die Sackbauer Saga A 2008. Regie: Kurt Ockermüller. Mit Karl Merkatz, Ingrid Burkhard, Hilde

Sochor. Verleih: Thimfilm. 110 Min.

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