Museen bewahren das Kulturerbe

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Die Kunstmanagerin Sabine Breitwieser im Gespräch über die Relevanz der Museen, deren mangelnde Wertschätzung durch Politik und Gesellschaft # und über ihre neue Aufgabe.

Ab Oktober ist Sabine Breitwieser als Chefkuratorin für Medien- und Performance-Kunst im Museum of Modern Art in New York (MoMA) tätig. Im Vorfeld der Langen Nacht der Museen sprach sie mit der FURCHE über die österreichische Szene.

DIE FURCHE: Welche gesellschaftspolitische Aufgabe haben Museen heute noch?

Sabine Breitwieser: Museen bewahren das kulturelle Erbe einer Gemeinschaft in Form von Kunstwerken. Sie bewahren diese aber nicht nur, sondern vermitteln auch eine Sicht darauf. Daher ist es so wichtig, dass sich Museen immer wieder einem Reformprozess unterziehen, weil sich unser Blick auf die Vergangenheit ständig verändert.

DIE FURCHE: Wie können die Museen die ständig sich wandelnden Blickwinkel auf vergangene kulturelle Produktionen Besucherinnen und Besuchern näher bringen?

Breitwieser: Man kann etwa vergangenen Werken neuere Produktionen gegenüberstellen und auf diese Weise ihre Relevanz befragen. Aber es ist auch wichtig, dass man zeigt, was die gesellschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen für die Entstehung einer bestimmten künstlerischen Position waren. In New York werde ich etwa immer wieder gefragt, warum es in Österreich zu einer Bewegung wie dem Wiener Aktionismus kam.

DIE FURCHE: Sind sich Politik und Gesellschaft in Österreich der enormen Relevanz der Museen als Träger von kultureller Erinnerung bewusst?

Breitwieser: Ich habe nicht den Eindruck, dass dies erkannt und im konstruktiven Sinne genutzt wird. Mir erscheint eher, dass die Museen ein #Vehikel on Demand# sind. Wenn man sie braucht, stellt man sich gerne stolz davor. Die enorme # auch wirtschaftliche # Bedeutung etwa für eine Stadt wie Wien wird hier nur von ganz wenigen Leuten wahrgenommen.

DIE FURCHE: Ist das anderswo auch so?

Breitwieser: Im britischen Raum sind Museen wirklich noch Bildungsinstitutionen. Alleine die Tatsache, dass Sammlungsausstellungen ohne Eintritt zu besuchen sind, spiegelt dies wider. Die Leute identifizieren sich dort mit den Sammlungen, und die Häuser sind immer sehr gut besucht. Dass zeitgenössische Kunst auf den Titelseiten großer Zeitungen zu finden ist, spricht ebenfalls für diese große Wertschätzung.

DIE FURCHE: Welche Maßnahmen können gesetzt werden, damit es zu so einer großen Anteilnahme kommt?

Breitwieser: Das funktioniert natürlich nur durch ein Bündel an Maßnahmen. Im britischen Raum wird beispielsweise enorme Aufmerksamkeit durch den Turner-Preis für in London aktive Künstler erzeugt. Alle Medien machen mit und bauen einen Spannungsbogen auf, wer den Preis jeweils gewinnen wird. Dort gelingt es, einen Kunstpreis so wichtig erscheinen lassen wie ein Fußballmatch.

DIE FURCHE: Sie haben gerade im steirischen herbst die Ausstellung #Utopie und Monument II# mit Kunst im öffentlichen Raum eröffnet (siehe Seite 14; Anm.). Hat der öffentliche Raum als Austragungsort für Kunst das klassische Museum nicht schon ersetzt?

Breitwieser: Das Museum hat nie bei den vier Wänden aufgehört. Und sei es nur durch verzweifelte Versuche, den Raum in Form eines Skulpturengartens zu erweitern. Vor allem muss man nach so vielen Jahren von Kunst im öffentlichen Raum sagen, dass derartige Projekte tatsächlich, so wie jetzt auch im steirischen herbst, in einem institutionellen Raum stattfinden.

DIE FURCHE: Sie waren die letzten Jahre eine der drei Moderatorinnen des sogenannten Museumsinitiative in Österreich. Was hat dieser Prozess gebracht?

Breitwieser: Es war äußerst wertvoll, dass einmal eine Wunschliste zu den verschiedenen Themenblöcken erstellt wurde, was museumspolitisch zu tun wäre. Die wesentlichen Fragen sind dargelegt, und es liegt ein Arbeitsprogramm auf.

DIE FURCHE: Umgesetzt wurde bisher aber nicht allzu viel.

Breitwieser: Es sind einige Maßnahmen gesetzt worden, wie etwa der freie Eintritt für Jugendliche bis 18 Jahre. Aber es ist richtig, die großen Themen sind nicht wirklich angegangen worden. Allerdings glaube ich nicht, dass der Prozess deswegen umsonst war. Es gibt jetzt Grundsatzpapiere, auf die man jederzeit zurückgreifen kann.

DIE FURCHE: Warum wurde so wenig von den vielen Ideen umgesetzt?

Breitwieser: Das ist eine politische Entscheidung, was man sich traut. Neuordnungen von Sammlungen sind tatsächlich eine sehr heikle Geschichte, die auch historisch nicht nur positiv besetzt sind.

DIE FURCHE: Ist die Hauptproblematik der Museen heute nicht, dass die drei wesentlichen Bereiche der Museen # Sammeln, Forschen, Bewahren # durch den wirtschaftlichen Erfolgsdruck ins Hintertreffen geraten sind und nur mehr Blockbuster-Ausstellungen gemacht werden, um Besuchermassen anzulocken?

Breitwieser: Natürlich, das liegt an den finanziellen Ressourcen. Aber es liegt auch an den Leitern, wie sehr sie sich zu dieser Aufgabe bekennen. Sammlungsarbeit ist nicht immer eine dankbare Aufgabe und oft erst Jahre später bemerkbar. Erfolgreiche Wechselausstellungen bringen den Museumsleitern hingegen schneller die Erneuerung ihrer Verträge. Dabei ist das Sammeln die zentrale Aufgabe eines Museums.

DIE FURCHE: Sie waren eine medial heiß gehandelte Kandidatin für die Köb-Nachfolge im MUMOK #

Breitwieser: Ich habe nie ein Hehl daraus gemacht, dass ich diese Aufgabe gerne übernommen hätte, habe aber schon damals durchblicken lassen, dass es einen Zeitdruck gibt, da andere Optionen im Gespräch sind. Verwundert hat mich in diesem Zusammenhang nur, dass es praktisch keine Auseinandersetzung mit den Plänen und Programmen der Kandidatinnen und Kandidaten gab. Bei vergleichbaren Hearings dagegen bestand daran großes Interesse.

DIE FURCHE: Jetzt verlassen Sie Österreich, um Chefkuratorin am MoMA zu werden. Verärgert, dass Österreich Ihnen keinen renommierten Posten geboten hat?

Breitwieser: Im Gegenteil! Ich habe die Möglichkeit zu einem wirklichen Neubeginn # und einen Traumjob am MoMA, den würde ich gegen keinen anderen tauschen wollen.

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