Werbung
Werbung
Werbung

Eine Ausstellung im Jüdischen Museum Wien zeigt die Entstehung des Gustav-Mahler-Booms.

Von den Nazis verboten, vom Musikbetrieb der Nachkriegszeit ignoriert: Dieses Schicksal, das viele Vertreter einer gemäßigten Moderne erlitten, blieb Gustav Mahler erspart. Zwar konnten auch nach 1945 nur wenige Mahlers spätromantischen Klangwelten an der Schwelle zur Moderne etwas abgewinnen, doch immerhin wurden seine Werke regelmäßig aufgeführt. Wie aus einem lange Zeit umstrittenen Komponisten jener Musiker von Weltrang wurde, als der er heute gilt, zeichnet die Ausstellung "Mahleriana - Vom Werden einer Ikone" im Jüdischen Museum Wien nach. Es ist weniger eine Ausstellung über Gustav Mahler als eine Schau über die Mahler-Rezeption, gesehen durch die Brille der Internationalen Gustav Mahler Gesellschaft, die maßgeblich an der Mahler-Renaissance beteiligt war und die heuer ihren 50. Geburtstag begeht.

Antisemitismus und musikalisches Unverständnis standen schon zu Lebzeiten der Anerkennung des Komponisten entgegen. Beides hielt bis lang über die Jahrhundertmitte an. Zwar erklang bereits im Juni 1945 zeitgleich mit der Enthüllung einer Gedenktafel Mahlers erste Symphonie im Wiener Konzerthaus, doch die Begeisterung hielt sich in Grenzen. Noch 1960 wurde Mahlers Musik in Konzertkritiken mit Attributen wie "bizarr", "trivial", "banal" und "hypertrophisch" belegt. Fünf Jahre zuvor war auf Initiative der Wiener Philharmoniker die Internationale Gustav Mahler Gesellschaft gegründet worden, mit dem erklärten Ziel, das Werk in der Welt der Musik zu etablieren. Es wurde mit der Herausgabe einer kritischen Gesamtausgabe begonnen sowie Mahlers drei Komponierhäuschen am Attersee, am Wörthersee und in Südtirol gerettet und als Gedenkstätten zugänglich gemacht.

Im Laufe der sechziger Jahre begann sich Mahlers Musik in der Öffentlichkeit zu behaupten. Der Zeitgeist half bei dem Revival, denn generell erwachte auch das Interesse am lange als dekadent abgetanen Fin de siècle, das sich eben auch in Mahlers Musik manifestiert. Die prosperierende Plattenindustrie, die sich gierig auf ein noch nicht ausgeschlachtetes symphonisches Oeuvre stürzte, trug das ihre zum Mahler-Boom bei. Höhepunkt der Mahler-Renaissance waren die Schallplatteneinspielungen der siebziger Jahre und Luchino Viscontis Filmklassiker "Tod in Venedig", bei dem das Adagietto aus Mahlers Fünfter als Soundtrack diente. Die in den Statuten festgeschriebene Verbreitung des musikalischen Werks sei "durch die Wirklichkeit als erfüllt anzusehen", notierte der Tätigkeitsbereich der Mahler-Gesellschaft 1973. Heute wird Mahler weltweit sogar öfter gespielt als Beethoven oder Bruckner.

Ganz in diesem Sinn präsentieren Plakat und Gestaltung der Ausstellung Mahler als Mittelding zwischen Che Guevara und den Pop-Ikonen Andy Warhols. Im Jüdischen Museum zu sehen sind auch jene Büsten Mahlers, die Auguste Rodin modellierte und die für Mahler-Fans schon lange so etwas wie Heiligenstatuen darstellen. Erstmals in Wien zu sehen ist auch jene Marmorbüste, die im Pariser Rodin-Museum lange unter dem Titel "Mozart" ausgestellt war. Hier ist "bizarr" durchaus angebracht.

Mahleriana

Vom Werden einer Ikone

Jüdisches Museum Wien

Dorotheergasse 11, 1010 Wien

Bis 8. 1. 2006, So-Fr 10-18,Do 10-20 h

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung