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Am Anfang des Mahler-Jahres

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Vor hundert Jahren, am 7. Juli 1860, wurde Gustav Mahler zu Kalischt in Böhmen geboren. Im nächsten Jahr, am 18. Mai 1961, wird man seines 50. Todestages gedenken. Anlaß genug, dem Werk und Wirken des großen Komponisten, Dirigenten und Wiener Hofoperndirektors seine Aufmerksamkeit zuzuwenden. Unmittelbar nach 1945 schien sich eine Mahler-Renaissance vorzubereiten; aber es kam auch in Wien nur ab und zu zur Aufführung einzelner Symphonien, und zwar wurden meist immer die gleichen Werke gespielt; die Erste, die Zweite und die Vierte sowie das „Lied von der Erde“. In diesem Jahr dagegen werden fast alle Mahler-Symphonien erklingen. Das ist vor allem für die jüngere Generation wichtig, die es nicht versäumen sollte, nähere Bekanntschaft mit einem großen Werk zu machen, das, in einer Übergangsepoche entstanden, die Brücke schlägt zur neuen Musik unserer Tage.

Der weitgespannte Mahler-Zyklus, von verschiedenen Orchestern und Musikinstituten veranstaltet, begann sehr vielversprechend mit der Aufführung der 1. Symphonie durch die Wiener Symphoniker unter Josef Krips im Musikverein. Hierauf folgte eine höchst eindrucksvolle Wiedergabe der selten aufgeführten riesigen Dritten durch die Wiener Symphoniker unter Hans Swarowsky. Das sechsteilige Weik hat 90 Minuten Spieldauer. Mit Recht wird nach der 1. Abteilung mit dem ursprünglichen Titel „Pan erwacht, der Sommer marschiert“ eine größere Pause gemacht. Hierauf folgen die mehr programmusikalischen Teile, in denen die Blumen auf der Wiese, die Tiere im Wald, der Mensch und die Engel zu uns sprechen, während der letzte Satz mit dem Titel „Was mir die Liebe erzählt“ wieder breit ausschwingendes symphonisches Format hat. Im 4. Satz lernten wir eine ungewöhnlich schöne und volle Altstimme kennen, die uns am meisten an die der unvergeßlichen Kathleen Ferner erinnert. Sie gehört der jungen Hamburgerin Ursula B o e s e, die sich die Veranstalter von Oratorienaufführungen wohl gut merken werden. Im 5. Satz des Riesenwerkes treten zur Altstimme noch ein Frauen- und ein Knabenchor (Singverein und Wiener Sängerknaben). Alle Ausführenden waren in bester Form und um das Gelingen einer Aufführung bemüht, die Hans Swarowsky, nach einer genügenden Anzahl von Proben, mit genauer Kenntnis der Partitur, mit Enthusiasmus, Kraft und Feinheit im Detail leitete.

Der Mahler-Zyklus wird wie folgt fortgesetzt: Am Eröffnungstag der Wiener Festwochen wird Bruno Walter die IV. Symphonie mit den Philharmonikern und Elisabeth Schwarzkopf als Solistin dirigieren. Dann werden die Symphoniker und der Singverein unter Joset Krips die „Zweite“ aufführen. Die „Fünfte“ bringen uns die Prager Philharmoniker unter Karel Ancerl; die „Achte“ Joseph Keilberth mit den Symphonikern, dem Staatsopernchor und dem Singverein, und im Konzerthaus wer den, im Rahmen eines Mahler-Festkonzertes, die Symphoniker unter Jascha Horenstein die IX. Symphonie aufführen. Auch Mahlers Vokalkompositionen sind nicht vergessen: Herbert von Karajan dirigiert am 18. und 19. Juni „Das Lied von der Erde“ (Philharmoniker), Heinz Wallberg in einem Konzert des Londoner Philharmonia-Orchesters die „Kindertotenlieder“ und Joseph Keilberth, mit Hermann Prey als Solisten und den Symphonikern die „Lieder eines fahrenden Gesellen“. In diesem Zyklus fehlen also nur die VI. und VII. Symphonie. Von der ersteren gibt es ein Tonband von Joseph Gielen im Österreichischen Rundfunk, und eine Aufnahme der VII. unter Winfried Zillich wird gegenwärtig vorbereitet. Vielleicht wird man auch diese beiden Werke, die zu den am seltensten aufgeführten gehören, in öffentlichen Konzerten hören können. Eine von der Intendanz der Wiener Festwochen veranstaltete Ausstellung wird „Gustav Mahler und seiner Zeit“ gewidmet sein.

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