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Ars sacra

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Uber die musikalische Sendung Wiens sowie über die Verpflichtung der einheimischen Künstler, der Stadt und unserem Lande die alte künstlerische Weltgeltung zu erhalten, ist in letzter Zeit eingehend geschrieben worden und es sind erfreuliche Bemühungen im Gange, diese Stellung, wie vordem, zu erringen. Auch auf dem Gebiete der Kirchenmusik gilt das gleiche Ziel.

Die siebenjährige nationalsozialistische Herrschaft und der in dieser Zeitspanne liegende Krieg haben viel zerstört, das nur schwer wieder gutzumachen ist. Heute zeichnen sich die erwachsenen Probleme schon deutlich ab. Wohl sind seit der Befreiung viele von denen, die dem Kirchenchore während des Krieges entzogen gewesen waren, an die Stätte ihres früheren Wirkens zurückgekehrt. Schon zeigt sich in vielen Kirchen Wiens reges musikalisches Leben, das in dem außenstehenden Beobachter den Eindruck erwecken könnte, es wäre alles wieder so, wie einst. Einer solchen Annahme widersprechen jedoch leider die Tatsachen. Die siebenjährige österreichische Passionszeit brachte weder weiblichen noch männlichen Nachwuchs für die Kirchenmusik. Das kann nicht wundernehmen. Von früh an,

noch nicht dem Kindesalter entwachsen, war der junge Mensch sogar der Familie entzogen und wurde bis zur Einberufung zum Reichsarbeitsdienst nicht mehr Herr seiner Freizeit. Für die jungen Leute war es aus-gesdllossen, selbst wenn sie gerne gewollt hätten, einem Kirdienchor beizutreten. Dieser junge, im besonderen der männlfche Nachwuchs fehlt unseren Kirchenchören. Es wäre angemessen, in allen Pfarren Wiens Kinder-und Jugendchöre, wie schon einige in Wien erfolgreich bestehen, zu gründen; deren Mitglieder würden unter kundiger Führung für die Aufgaben des Kirchenchores praktisch und theoretisch zu schulen sein. Durch Stimmbildung, Erlernung des Notcnlesens, volkstümliche Erläuterung des Kirchenlateins, Einführung in das Choralsingen, Einstudieren von einfachen Messen oder anderen Kir-chenmusikwerken erhält der junge Mensch die systematische Einführung in das Wesen des Chorsingens und der Kirchenmusik. Um in der Jugend die Freude am gemeinsamen Musizieren zu wecken, wird man trachten, mit dem Chore kleinere Aufführungen in der Kirche, gelegentlidi auch gemeinsam mit dem Kirchenchore, zu bestreiten. Diese Vereinigung junger Sänger soll bei weitem nidit als Konkurrenzunternehmen der Kindersing-schulen des Konservatoriums der Stadt Wien angesehen werden; es wäre auch nicht am Platze, solches zu planen. Hier läßt sich sicher ein für beide Teile günstiger Ausgleich schaffen. Durch solche Einrichtungen würde für die nächste Zukunft die Gewähr gegeben sein, daß die Wiener Kirdienmusik geschulten Nachwuchs bekommt. Dieser würde, liturgisch geschult,- der Garant für eine restlose Erfüllung der vielen und oft auch schwierigen Aufgaben sein, die der Kirchenchor zu erfüllen hat. Ein Sänger, der weder Notenkenntnisse mitbringt, noch eine Ahnung vom Kirchenlatein hat, ist für den Kirchenchor praktisch wertlos und wird sich in einer derartigen Vereinigung nur schwer einfügen können.

Die Schwierigkeit der Gewinnung von Musikern, insbesondere der Bläser, für Aufführungen an Festtagen und die damit verbundenen beträchtlichen Auslagen werden den Chorleiter künftighin veranlassen, die herkömmliche Art, an Festtagen Orchestermessen aufzulegen, zu durchbrechen und sich auf wertvolle Orgel- oder A-capella-Messen zu beschränken. Dies würde durchaus kein ungünstiger Ausweg sein, da gerade die A-capella- und Orgelmessenliterarur bei uns viel weniger gepflegt wird, als sie es verdient. Dem Chorleiter bietet sich auf diesem Gebiete eine große Auswahl dankbarer und wertvoller Literatur in jedem Schwierigkeitsgrade und aus jeder Epoche der Musik-geschidne, angefangen von den Werken eines Palestrina oder Orlando di Lasso bis zur modernsten Messekomposition. Der Schwierigkeit bei der Beschaffung des Noten-

materials wird man durch gegenseitiges Entlehnen begegnen können. Die Pflege des A-capella-Gesanges erfordert sorgfältigste Probenarbeit, gereicht aber dem Chore zum Vorteil. Denn der A-capella-Gesang ist der Prüfstein für die Qualität eines Chores.Durch gelegentliches Zusammenwirken von mehreren Chören für große, schwierige Aufgaben, wie dies außerhalb Wiens in größeren Städten schon geübt wird, bietet sich einer solchen Vereinigung die Möglichkeit, mit Werken vertraut zu werden, die ihr unter anderen Verhältnissen unzugänglich blieben. *

Es sind große Aufgaben, die dem im Dienste der Musica Sacra stehenden Sänger und Musiker in Wien gesetzt sind. Eine ruhmreiche kirchenmusikalische Vergangenheit Österreichs verlangt nach der Pflege durch begeisterte und tüchtige Erben.

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