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Das „Mozarteum“

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Über das „Mozarteum“ sprechen, heißt Bezug nehmen auf die Kontinuität der Musikpflege in Salzburg. Was auf den ersten Blick aussieht wie ein bunter Wechsel in den Organisationsformen und Rechtsträgern, enthüllt, wenn man nur einen genügend großen Zeitraum zusammenfassend betrachtet, das stetig und unverändert wirkende Bedürfnis nach Musik und das Bewußtsein, zu ihrer Pflege wohldurchdachter erzieherischer Einrichtungen zu bedürfen, und beides ist sehr charakteristisch für die speziell salzburgische Situation, und zwar charakteristisch gerade im Hinblick auf das kontinuierliche Fortwirken dieser Triebkräfte, gleich, durch welche Gesellschaftsschicht im Laufe der Zeit sie zum Ausdruck komimeh.

Salzburg war immer schon ein musikalisches Zentrum erster Ordnung, und zwar keineswegs nur, was die Kirchenmusik betrifft. Vielmehr wurde auch die weltliche Musik in hohem Maß in Salzburg gepflegt, und gerade im Sinne jeweiliger Aktualität. Dazu trug wohl in erster Linie die Hofhaltung des Erzbischofs, welcher gleichzeitig auch Landesfürst war, bei, was wir nicht, wie heutzutage gern in kühl analysierender Manier getan wird, als bloßen Akt der Repräsentation von Macht an- sehen dürifen; es war Lebensbedürfnis, Musik zu machen, Musik zu hören, durch Musik verbunden zu sein. Und gerade dieses Lebensbedürfnis möchte ich die typisch salzburgische Triebkraft ih der Musikpflege nennen.

So kam es auch, daß nach der Zäsur am Anfang des vorigen Jahrhunderts (Auflösung der fürsterzbischöflichen Hofkapelle), bedingt durch den Reichsdeputationshauptschluß und durch den darauffolgenden mehrmaligen raschen Wechsel der Landesherrschaft das Bürgertum dafür zu sorgen hatte, die Pflege der Musik so bald wie möglich in Obhut zu nehmen und wieder auf eine geordnete Basis zu stellen. Nach den damaligen Gepflogenheiten konnte das nur geschehen durch Gründung eines bürgerlichen Vereines. Das war die Geburtsstunde des „Mozarteums“. Das Bewußtsein, einer kontinuierlichen Anknüpfung an die Vergangenheit verpflichtet zu sein, äußerte sich dabei in zweifacher Weise: einmal, indem der neue Verein die Organisation der Kirchenmusik des Erzbistums im Bewußtsein einer bereits mehr als tausend Jahre alten Tradition in die Hand nahm, zum ändern durch die Zielsetzung der Erhaltung und Rettung des Nachlasses von Salzburgs größtem Sohn: Wolfgang Amadeus Mozart.

Der nach manchen Jahren der Vorbereitung 1841 offiziell ins Leben gerufene Verein gab sich deh Namen „Dommusikverein und Mozarteum“ und unterhielt vom ersten Tag an bereits ein musikalisches Erziehungsinstitut. Die ersten Salzburger Musikfeste folgten, besonders im Zusammenhang mit den Mozartjubiläen des 50. Todestages 1841, gefeiert anläßlich der Enthüllung des Mozartdenkmales 1842, und des 100. Geburtstages 1856.

Die Aufgaben wuchsen rasch. Deshalb wurde 1870 neben dem Dommusikverein die „Internationale Mozart-Stiftung“ gegründet. Darin kam zum Ausdruck, daß die Bedeutung des Anliegens über die ortsgebundene Begrenzung hinauszuwachsen begaifti. Das erste von der Stiftung veranstaltete Musikfest von 1877 trug dementsprechend internationalen

Charakter und wird heute als die Geburts- stumde der Salzburger Festspiele angesehen.

1880 löste sich diais „Mozarteum“ vom Dommusikverein, das Protektorat über das Musikerziehungsinstitut übernahm die Internationale Mozart-Stiftung, welche dabei ihren Namen änderte in „Internationale Stiftung Mozarteum“. So heißt sie heute noch.

Unter der Schirmherrschaft der „Internationalen Stiftung“ erfuhr die „öffentliche Musikschule Mozarteum“ in der glücklichen, fast 30 Jahre währenden Direktionszeit von Josef Friedrich Hummel durchgreifende Wandlung und Neugestaltung. 1914 wurde ihr der Titel „Konservatorium“ verliehen, wenige Monate vor dem Einzug in das neuerbaute Haus in der Schwarzstraße, seinerzeit Mozart-Haus genannt, welches heute noch das Musikerziehungsinstitut beherbergt. Nach Direktor Hümmels Abgang dauerte es fast ein Jahrzehnt, bis in Dr. Bernhard Paumgartner wieder ein Leiter für eine lange Periode gefunden werden kon’nte. Von 1917 bis 1959 leitete Paumgartner, nur von den Jahren der deutschen Besetzung unterbrochen, das Institut und führte die zweite große Epoche stetiger Aufwärtsentwicklung herauf. Da die „Internationale Stiftung Mozarteum“ infolge der Inflation nicht mehr imstande war, das Konservatorium zu erhalten, erfolgte 1922 die Verstaatlichung. 1953 wurde das „Mozarteum“ zur Staatsakademie erhoben und erfüllt seither, wie auch die anderen Institute in Wien und Graz, als „Akademie für Musik und darstellende Kunst ,Mozarteum“ in Salzburg“ die Aufgaben eitler staatlichen Musikhochschule.

Als solche bietet sie der jungen Generation in allen künstlerischen und pädagogischen Musikberufen sowie in den Berufssparten des Theaters, Ausbildungsmöglichkeit bis zur höchsten Reife und bis zum direkten Eintritt in die Berufskarriere.

An der gegenwärtig so sehr aktuellen Hoch- schulentwicklung und den damit zusammenhängenden Fragenkomplexen nimmt die Akademie allerregsten Anteil in ständigem direkten Gesprächskontakt mit der Studentenschaft. Dabei kommt ihr zugute, daß infolge des häufigen gemeinsamen Musizäerens von Lehrenden mit Studierenden, aber auch überhaupt infolge des viel näher verbindenden künstlerischen Unterrichtes die Distanz zwischen Professoren und Studenten geringer ist als an den großen, von schier unübersehbar vielen Studenten frequentiieirten Universitäten.

Vor allem aber ist immer noch, und vielleicht sogar heute erst so recht deutlich spürbar, die alte, ift so langer Kontinuität wirksame Triebkraft lebendig, welcher das Sich- Äußern in Musik unmittelbarer Ausdruck des Lebensgefühls ist. Ein besonderes Zeichen dessen ist das ORFF-Institut, 1961 als Bestandteil der Akademie gegründet und bis heute unter der Leitung von Carl Orff selbst stehend, welches aufgrund völlig neuartiger pädagogischer Erkenntnisse im elementaren Musizieren, in der elementaren Verbindung von Musik, Sprache und Bewegung eiime echte Lebenshilfe sieht und das Mittel, die durch die fortschreitende Verintellektualisierung in Isolatioft und dadurch an die Peripherie geratenen Lebensäußerungen des Menschen, vor allem des ganz jungen, bis zur Wurzel zu erfassen und damit wieder untereinander in organische Verbindung zu bringen.

So ist alles, worum sich die Akademie „Mozarteum“ bemüht, auf das Morgen gerichtet, auf das Morgen einer neuen, jungen Generation.

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