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Der Rote Salon im Sacher blieb leer

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Die Untersuchung „Die Wiener Staatsoper als Wirtschaftsfaktor” - kürzlich von Bundestheater-Generalsekretär Georg Springer und Meinungsforscher Fritz Karmasin präsentiert, hat mehr als wirtschaftliche Daten gebracht, nämlich letztlich die Antwort auf die Frage, was Hochkultur in ihrer Quintessenz „Oper” heute sei.

Vergleichsweise spät hat Europa Marktforschung und Publikumsuntersuchungen an seine traditionellen Opernhäuser - der Scala, Covent Garden, der Staatsoper - angewendet. „Der Staat hat die Rolle des Monarchen übernommen und führt eine alte Tradition weiter, die lange nicht auf ihre Wirtschaftlichkeit überprüft worden ist”, meint Fritz Karmasin. Erst vergleichsweise spät, wurde nun vom Gallup-Institut erstmals eine Pilotstudie zur Umwegrentabilität der Staatsoper durchgeführt. „Wenn man in die Oper geht und sich eine Karte um zweitausend Schilling kauft, gibt man auch Geld für Restaurants, Taxis, Tiefgaragen, Souvenirs und Sekt aus. Friseure im ersten, 18. und 19. Bezirk merken am Ansturm, wann eine Premiere ist”, erzählt Karmasin.

„Auch wenn die strenge bürgerliche Tradition nachgelassen hat, ist für mich noch ein Parkett-Publikum und ein Galerie-Publikum feststellbar. Es wird zwar keiner hungrig ins Bett gehen, weil die Oper geschlossen ist - aber die eleganten Restaurants der Innenstadt sind weniger besucht worden.”

Wenn auch das Publikum in andere Häuser, etwa die Volksoper umgeleitet werden konnte, Hotels und

Restaurants im Umkreis der Oper erlitten - auch dank des Ausfalls der Opernreisen-Arrangements ~ krasse Einbußen. „Das Hotel Sacher”, erzählt Karmasin, „hatte für die opernlose Zeit vorausschauend Marketingmaßnahmen gesetzt, aber der Rote Salon blieb leer.”

Karmasin war überrascht, daß trotz moderat angesetzter Zahlen und einer untersten feststellbaren Grenze wirtschaftlicher Ausstrahlung der Verlust der dreieinhalb Monate dauernden opernlosen Zeit mit täglich 1,2 Millionen zu beziffern ist. Eine Zahl, die vermutlich um einiges höher liegt, trotzdem aber den für Kultur zuständigen Politikern Argumente liefert.

„Die Zahlen unterstützen die Position der Bundestheaterverwaltung - sonst wären sie nicht veröffentlicht worden.” Nicht eingerechnet in die Umwegrentabilität ist der mit „Image” zu beziffernde Wert, den die Staatsoper ebenso wie die Lipizzaner oder die Sängerknaben repräsentieren. „Auch wenn die Wiener dieses Angebot selten nützen, allein das Wissen um die Möglichkeit ist Lebensqualität.”

Aufgrund einer völlig anders gelagerten Publikumsstruktur ließen sich für das Burgtheater und seine bevorstehende Schließung im Herbst 1995 keine Parallelen ziehen. ^

„Oper ist das geographische und kulturelle Zentrum einer Stadt, Hochkultur ist das Ereignis um die Kunst herum: Sich sehen lassen, Bildung und Kennerschaft unter Beweis stellen, gehören dazu. Interpretiert man Karmasins schon im April 1994 gestellte Frage nach einer deutschsprachigen Textleiste über der Büh! ne und ihre klare Ablehnung durch das Publikum, ist Oper auch ein Ereignis, das gar nicht für jedermann gleich verständlich sein soll. Bildung setze Vorkenntnis voraus.

„Unser Kulturbetrieb ist zum Teil als freier Markt, zum Teil als Beamtenverwaltung geführt. Diese beiden Teile mit entsprechend hohen Gagen und Pensionen, vertragen sich nicht.” Karmasin freut sich zwar als einer der Oper und Musik verbunden ist, daß Opernsänger nach zehn Jahren aktiver Karriere für bezahltes Nichtstun eine Leibrente beziehen, findet aber, daß das Know How dieser Frühpensionisten im Opernbetrieb auch einer anderen Tätigkeit zufließen könnte.” Es ist für Künstler demütigend, zur Seite gestellt zu werden, und gleichzeitig immer wieder zu hören: Du bekommst ja gezahlt.”

Kulturpolitische Vision des Meinungsforschers: „Der Hochkultur-Rahmen sollte - sei's in der Staatsoper oder bei den Salzburger Festspielen - erhalten bleiben.”

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