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Die Wiener Staatsoper in der kommenden Spielzeit

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Die Wiener Staatsoper tritt in das neue Spieljahr, was die Verpflichtung von Solisten, Dirigenten und Regisseuren betrifft sowie hinsichtlich des Programms, wohlvorbereitet ein. Es wurde dafür gesorgt, daß jedes Rollenfach während des ganzen Spieljahrs erstrangig besetzt ist, damit der Kardinalpunkt der Wiener Oper, die Ensembleleistung, gewährleistet wird. Natürlich kann im Falle von Erkrankungen und sonstigen Absagen nicht verhindert werden, daß Schwierigkeiten und Probleme auftauchen, die man vorher nicht kannte und die natürlich in einen Repertoiretheater nie ganz ausgeschlossen werden können.

Die Wiener Staatsoper ist eine der letzten großen Opernbühnen mit E n-sembleleistung und einem durchgehenden Spielplan, das heißt: sie ist bemüht, die im Spielplan vorgesehenen Werke in erster Besetzung während des ganzen Spieljahrs immer wieder zu bringen. Die Oper geht dabei von dem Standpunkt aus, lieber ein Werk ruhen zu lassen, bevor es in einer schlechten Besetzung angesetzt wird. Die Garantie für die Ensembleleistung ist für uns gegeben, wenn ein Mitglied mindestens vier bis fünf Monate, also die Hälfte der Spielzeit, der Oper zur Verfügung steht.

An neuen Kräften wurden dem Institut für heuer gewonnen: Christi Goltz, Dragica Martinis, die Tenöre Josef Gostic, Richard Fehenberger, Peter Anders, der Baritonist Theo Bayle und einige Eleven.

Die Dirigentenfrage wurde so gelöst, daß außer den ständigen Dirigenten, vor allem Professor Moralt, auch noch Rudolf Kempe schon für einige Monate und auch der in Deutschland sehr geschätzte junge Dirigent Hollreiser zur Verfügung stehen. Außerdem werden Professor Clemens Krauß vier Monate, Dr. Fritz Busch dreieinhalb Monate und Dr. Karl Böhm drei Monate dem Institut zur Verfügung stehen. Dr. Wilhelm Furtwängler hat die verbindliche Zusage gemacht, einige Male am Dirigentenpult der Wiener Staatsoper zu erscheinen und einige Werke zu dirigieren.

Der Spielplan trägt vor allem dem zu Ende gehenden- Verdi-Jahr Rechnung durch die Neuinszenierungen der Werke

„Simone Boccanegra“, in der Titelrolle mit Paul Schöffler und Otto Edelmann alternierend, und „Die Macht des Schicksals“ mit Frau Dragica Martinis und den Herren Fehenberger und Weber. — Der „Lohengrin“ wird ein Beitrag der Oper für den Wiederaufbau des Wagner-Spielplans sein, die musikalische Leitung wird Dr. Fritz Busch haben.

Der „Ring“ und der „Parsifal“ werden erst nach der Wiedereröffnung der Staatsoper am Ring in den Spielplan aufgenommen werden können. Die technischen und vor allem akustischen Schwierigkeiten wären im Theater an der Wien so groß, daß sie kaum zu bewältigen wären, und es erscheint uns richtiger, diese eineinhalb Jahre noch zu warten und diese Werke als erste Aufgabe für das neue Haus zu betrachten.

Der Moderne wird auch an der Staatsoper Rechnung getragen, indem der „Wozzek“ aus Salzburg mit ganz geringfügigen Umbesetzungen übernommen wird; ferner sollen das Ballett des österreichischen Komponisten Gottfried von Einem „Rondo um das goldene Kalb“ und schließlich „The Rake's Progress“, die neue Strawinsky - Oper, erstaufgeführt werden. Die musikalische Leitung wird Clemens Krauß haben, Gustav Gründgens Regie führen.

Als letzte Neueinstudierung in diesem Spieljahr kommt Strauß' „Arabella“ mit einer besonderen Besetzung, und dieses Werk wird zugleich einen für die Wiener Festwochen vorgesehenen Richard-Strauß-Zyklus eröffnen, welcher acht Werke des Komponisten mit erster Besetzung und ersten Dirigenten bringen wird.

Es konnten nicht alle Gastspielanträge für die Wiener Staatsoper angenommen werden.

In der ersten Hälfte der Spielzeit werden keine größeren Gastspiele durchgeführt, um die Arbeit des Instituts nicht zu stören. Im Frühjahr 1952 findet dann das Pariser Gastspiel statt, anschließend das Brüsseler und schließlich das Gastspiel bei den internationalen Festwochen in Wiesbaden. Interessant ist, daß das Pariser Gastspiel wahrscheinlich im Rahmen des „Internationalen Festivals für Musik des 20. Jahrhunderts“ stattfinden wird und voraussichtlich „Salome“ und „Wozzek“ zur Aufführung gelangen werden.

Die Opernleitung denkt nun auch sehr an den Nachwuchs, da natürlich der vor Jahrzehnten entstandene Brauch, fertige Künstler an die Oper zu berufen, aus finanziellen Gründen nicht immer durchführbar ist. Damit soll nicht gesagt werden, daß mittelmäßige Kräfte dem Institut zugeführt werden dürfen, aber es sollen besondere Talente, welche nicht so sehr über Protektion als über außergewöhnliche Begabung verfügen, dem Institut gewonnen werden. Dieser Weg war bis jetzt nicht unfruchtbar, und es seien als Beispiel die Namen Jurinac, London, Edelmann und Braun genannt.

Zu diesem Zweck wurde ein eigenes Opernstudio unter der Leitung von Erich Engel gegründet. Dieses Studio hat die Aufgabe, besonders begabte junge Kräfte aufzunehmen, sie langsam heranzubilden und sie vorsichtig mit zuerst kleineren, dann immer größeren Aufgaben zu betrauen. Natürlich ist bei der Aufnahme von Eleven nur das außergewöhnliche Talent entscheidend, und es muß einen Numerus clausus geben, denn nur mit einer bestimmten Anzahl von Eleven ist das Studio in der Lage, eine positive Arbeit zu leisten. Es hat gar keinen Sinn, junge Leute aufzunehmen, mit denen man sich nicht beschäftigen kann, weil dazu die Zeit fehlt. •

Neben dieser künstlerischen Sorge ist die größte Aufgabe die baldige Fertigstellung des Hauses am Ring, und hier muß einmal vor aller Öffentlichkeit festgestellt werden, daß das Bundesministerium für Finanzen derzeit alles unternimmt, um die notwendigen finanziellen Mittel zur Verfügung zu stellen und auch effektiv zur Verfügung stellt. Etwaige Verzögerungen im

Fortschreiten des Baues können daher nicht mehr auf das Fehlen finanzieller Mittel gebucht werden, sondern sind allenfalls in den allgemeinen Schwierigkeiten der Weltwirtschaft, wie beispielsweise bei der Eisenbeschaffung usw., begründet. Das bauführende Ressortministerium kennt aber genau die Wünsche der Staatsoper, daß dieses Haus im Frühjahr 1953 eröffnet werden soll, und zwar an jenem 25. Mai, an dem im Jahre 1869 das Haus seinerzeit eröffnet worden ist. So wie damals sind auch jetzt drei Eröffnungsvorstellungen vorgesehen. So wie damals soll die Oper mit dem „Don Giovanni“ eingeweiht werden.

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