6739692-1966_36_13.jpg
Digital In Arbeit

Echte Festspielprobleme

Werbung
Werbung
Werbung

Da streiten sich die Leut’ herum, wer in Salzburg bei den Festspielen singt, dirigiert oder inszeniert, und wer nicht — und warum nicht. Der Spielplan, das „geistige Profil“ der Festspiele, wird eifrig diskutiert — und ändert sich seit Jahrzehnten im wesentlichen nicht. Im nächsten Jahr zum Beispiel soll es gar keine Opernneuinszenierungen geben. Das ist schade. Und auf dem Gebiet des Sprechstücks als „Novität“ nur den „Schwierigen“ von Hofmannsthal, während Schnitzlers „Liebelei“ bereits wackelt. Der Grund: Sparmaßnahmen, das heißt zwei Millionen zuwenig. Dafür holte man sich im heurigen Jahr für eine Balletteinlage in „Carmen" eine komplette große Truppe aus Madrid, und da die vielen teuren Leute nun einmal da waren, gab man ihnen auch zwei Ballettabende, die von der Fachkri-

tik mit seltener Einhelligkeit abgelehnt wurden.

Wenn es schon aus finanziellen (und anderen) Gründen nicht gelingt, wie heuer, eine Opernuraufführung zu erwerben, so möge wenigstens das Ballett aufgewertet werden. Fürs nächste Jahr will man das Kirow- Ballett einladen. Diese neben dem Moskauer Bolschoi-Ballett größte russische Ballettkompagnie mit ständigem Sitz in Leningrad wäre, zwischen zwei Tourneen, auch heuer schon zu haben gewesen, anstelle der unglücklichen Spanier (die einem nur leid tun können, denn es sind ausgezeichnete Folklore-Tänzer, die hier nur auf ein allzu glattes Parkett geraten sind!).

Aus Ersparungsgründen möge man das Salzburger Programm nicht einschränken, denn wie die von Fachleuten erstellte, im „Wirtschaftskommentar“ der „Furche“ auszugsweise wiedergegebene Studie erweist, sind die Salzburger Festspiele hochaktiv, aufs Ganze gesehen. Es gibt aber andere Sorgen, die nicht so leicht behoben werden können, und von ihnen soll im folgenden kurz die Rede sein.

Alljährlich zur Sommerzeit kommen viele tausend Fremde nach Salzburg und wollen, gewissermaßen als Kompensation für den obligaten Regen, abends etwas Schönes hören oder sehen, womöglich beides zugleich, was ihnen in der Oper und im Schauspiel in idealer Weise geboten ist. Dem Sprechstück vermögen nur die wenigsten zu folgen, das Hauptinteresse konzentriert sich also auf die Oper — wie auch die konstante Nachfrage erweist. — Aber viele tausend verlassen Salzburg enttäuscht, denn es ist ihnen, trotz angebotener Superpreise, nicht gelungen, auch nur eine einzige Karte zu erwerben.

Was die Nachfrage betrifft, so hat Salzburg — und das schon seit Jah-

ren — eine beneidenswerte Hochkonjunktur. Wäre es nicht möglich, sie besser zu nützten, vor allem im Interesse jener, die bisher leer ausgegangen sind? Konkret gesprochen: Für manche Aufführungen (auch für Konzerte) könnten doppelt und dreimal soviel Karten verkauft werden, wie zur Verfügung stehen. Was ist zu tun? Erfreulicherweise haben wir das neue Große Festspielhaus, dank der Initiative und des Mutes des seinerzeitigen Landeshauptmannes von Salzburg und dank der Genialität eines unserer größten Architekten. Ohne dieses Haus (dessen Riesenbühne ihre Mucken hat, von denen an dieser Stelle wiederholt gesprochen wurde) wäre die „Marktlage“ eine katastrophale.

Aber wie oft wurde heuer im neuen Großen Haus gespielt? An 38 Spieltagen zwischen dem 24. Juli und dem 30. August insgesamt 19mal. An 17 Abenden war das Kleine Haus bespielt. Ein Großteil der „freien“ Abende wurde für Proben benötigt. Die Felsenreitschule war heuer sehr schwach ausgenützt, hier gab es wöchentlich einmal den „Sommernachtstraum“. Das Salzburger Landestheater fiel 1966 wegen dringend notwendig gewordener Renovierungsarbeiten aus, im nächsten Jahr wird man auf die Felsenreitschule verzichten müssen: sie erhält eine neue technische Anlage (was wir mit nur mäßigem Jubel zur Kenntnis nehmen) und eine Beheizung, sowohl für die Bühne wie für den Zuschauerraum, was mit einem dreifachen Bravo zu begrüßen ist. Denn nur wer einen vierstündigen Sommernachtstraum dort frierend abgesessen oder schaudernd und schauernd im vergangenen Jahr die Greuel der Atriden absolviert hat, immer auch im Gedanken an die armen Künstler vorne in den zugigen Arkaden, wird uns verstehen. Nach Durchführung dieser Verbesserung wird die Felsenreitschule öfter benützt werden können.

Was die Salzburger Festspiele aber zusätzlich dringend brauchen, ist — nicht etwa ein drittes beziehungsweise fünftes Haus — sondern eine Probebühne. Sie wäre genau nach den Maßen der des Großen Hauses zu konstruieren und könnte leicht auf die des Kleinen Hauses reduziert werden. Natürlich wird auch das einige Millionen kosten. Aber diese werden sich, so meinen wir, bald amortisieren. Vielleicht wäre damit allen geholfen. Diesen Plan, vor allem das Wo betreffend, möge man sich einmal durch den Kopf gehen lassen. Vor allem aber ist es wichtig, sich mit dem Gedanken vertraut zu machen. Die Anregung dazu erlauben wir uns hiermit zu unterbreiten.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung