6600839-1953_37_10.jpg
Digital In Arbeit

Salzburger Festspiele jenseits der Oper

Werbung
Werbung
Werbung

Die Problematik des Ineinanderfügens der Konzerte und ihrer Programme in das thematisch feststehende und nur mehr gering variable Opernrepertoire der Salzburger Festspiele blieb auch dieses Jahr ungelöst. Was schon oft — und bisher vergeblich — gefordert wurde, nämlich vor allem der wichtigsten Konzertreihe, den Orchesterkonzerten der Wiener Philharmoniker, wenigstens einen thematischen „roten Faden“ einzuflechten, geschah auch in diesem Jahre nicht. Die Salzburger Festspielkonzerte unterscheiden sich nämlich in nichts von den Konzertprogrammen aller großen Musikzentren während der Saison. Um es praktisch und deutlich auszudrücken: nicht der Dirigent darf entscheiden, welche Programme ihm am besten zu Gesicht stehen, sondern er hat

es als eine Ehre anzusehen, dem Festspielgedanken in der Wahl seiner Werke zu dienen. Nur wenige Orchesterkonzerte genügten der Festspielidee. Das waren vor allem die beiden Konzerte Bruno Walters, die Bruckners IX. Symphonie mit je einer Symphonie Mozarts und Beethovens konfrontierten, und das Konzert Wilhelm Furt-w ä n g 1 e r s, der mit' „Don Juan“ Hindemiths Symphonie „Die Harmonie der Welt“ und Schuberts VII. Symphonie verband. Hingegen brachte de Sabata ein ganz abwegiges Programm artistischer Provenienz (Berlioz, Strawinsky, Ravel, R. Strauss, Verdi), begnügte sich Markevitch mit einer landläufigen Linie Prokofieff-Dukas-Britten-Tschaikowsky, Programme ohne eigentlichen Festspielschwerpunkt, von denen sich die

Konzerte Karl Böhms (Schubert, R. Strauss, Brahms) und Guido Cante}Iis (Frescobaldi, Schumann, Debussy) angenehm abhoben. Im ganzen gesehen fehlte jedoch eine echte Festspie 11 i n i e, die mit einer Auswahl der Symphonien Haydns, Mozarts oder Bruckners leicht eingeschlagen werden könnte.

Leichter haben es von vorneherein die M a-tineen und Serenaden, die wesentlich M o z a rt verpflichtet bleiben. Hier ist es vor allem Bernhard Paumgartner zu danken, der auch dieses Jahr mit Erfolg die von ihm gegründete Camerata academica seines Mozarteums in die Festspiele einführte, daß immer wieder fast Unbekanntes ans Tageslicht kommt; es sind Programme für Feinschmecker und Kenner Mozarts, die aber niemals in historisches Dozieren abgleiten. Weniger erfreulich, daß die von Joseph Messner geleiteten Domkonzerte, die noch immer in der Aula academica und nicht im Dom beheimatet sind, so gar nicht vom Altgewohnten abweichen. Auch hier müßte jährlich wenigstens ein neues Werk erscheinen. Es ist nicht einzusehen, warum zum Beispiel nicht eines der großen geistlichen Werke eines Frank Martin den Weg nach Salzburg finden kann.

Was seit Jahren von der Kritik gefordert wurde, in diesem Jahre wurde es endlich Wirklichkeit: das Ballett zog in Salzburg ein. Aber leider wurde man seiner nicht recht froh. Sicher besitzt das Ballett der Pariser Großen Oper, das zwei Programme absolvierte, ausgezeichnete Mitglieder, und Serge Lifars Größe als Choreograph ist noch immer erkennbar, wie die tänzerische Verwirklichung der Tragödie „P h ä d r a“ von Jean Cocteau bewies (wenn er auch selbst als Tänzer besser nicht mehr auf der Bühne erscheinen sollte). Aber von acht Programmnummern blieb im Grunde nur diese eine als verbindlich im Sinne einer heutigen Tanzkunst übrig. Das ist zu wenig. Das durch den Streik in Frankreich gefährdete, aber schließlich unter ungünstigen Voraussetzungen doch noch zustande gekommene Gastspiel zeigte auch unentschuldbare technische Mängel. Aber abgesehen davon: es gab im Grunde nur ein vom Tanz her konzipiertes Ballett, das von Cocteau, zu dem Georges Auric die Musik geschrieben hat. Alles übrige waren „Adaptierungen“, tänzerische Verwirklichungen vorliegender Kompositionen, die an sich, wenn sie technisch vollendet sind und es sich um originale Musik handelt, wie zum Beispiel bei Balanchines hervorragend entwickeltem Ballett nach Bizets Symphonie, reizend Sein können, aber sie können niemals den Schwerpunkt eines Programms bilden.

In diesem Zusammenhange entsteht aber für Salzburg die viel wichtigere Frage: ist es überhaupt richtig, ein fremdes Ballett hierher zu holen, wenn- es, wie dies heuer geschah, lediglich von Paris, Wien oder Florenz her schon längst, bekannte Stücke auf eine Salzburger Festspielbühne zu bringen imstande ist? Die Kernfrage für Salzburg lautet noch immer: Wenn ein Ballett, dann ein eigenes Ballett, es muß. wie die Oper Salzburgs, aus Wien kommen. Warum dies bisher nicht möglich war, steht offensichtlich auf einem arideren Blatt. Salzburgs Festspiele dürfen, auch Weht auf dem Gebiete des Balletts, zu einer von vielen Stationen reisender Ballettgruppen herabsinken; es ist keine „Gastspielstätte“, sondern eine Weifbühne eigenen Charakters, auf die das Ballett gehört, aber ein Ballett eigener Prägung. Allerdings auf dem Niveau hoher künstlerischer Qualität, die mit den heute führenden Gruppen von London, Paris und New York konkurrieren kann.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung