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Spektrum der Nationen

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Die Internationalen Festspiele zeitgenössischer Musik, die in diesem Jahre in Brüssel stattfanden und unter der Schirmherrschaft Ihrer Majestät der Königin Elisabeth von Bei-gien standen, boten eine derartige Fülle von Kompositionen, daß es ausgeschlossen erscheint, in diesem Rahmen einen vollständigen Bericht über alle Aufführungen zu geben. Nicht weniger als 34 Komponisten aus 16 Ländern Europas und von Ubersee kamen mit ihren Werken zu Gehör. Hier möge nur über die wichtigsten Werke kurz berichtet werden

Von dem Schweizer Constantin Regamey kam ein Streichquartett zur Aufführung, charakteristisch durch die Verwendung der Zwölftontechnik, ohne dabei die Tonalität ganz zu vermeiden: ein beachtenswerter Versuch und ein neuer Weg, den weiter zu verfolgen erfolgversprechend scheint. Von den Kompositionen der belgischen Komponisten interessierte besonders ein Werk von Pierre F r o i d b i s e, „Cinq Comptines“, für ein Singstimme und elf Instrumente, fünf mit köstlichem Humor durchsetzte Lieder auf französische Folklortexte, in chromatisch-atonalem Stil geschrieben, sowie die Komposition „Tre Lieder per sonare a venti sei für 26 Instrumente von Karel Goeyvarts. Starken Eindruck hinterließ die „Cantate de la Vistula' des heute in Paris lebenden polnischen Komponisten Roman P a 1 e s t e r. Das Werk, das für einen Sprecher, gemischten Chor, vier Hörner, zwei Harfen, zwei Klaviere und Schlagwerk geschrieben ist, besteht aus drei Teilen, von denen jeder sein eigenes Thema hat, die je-d8ch durch eine Zwölftonreihe, die in ihrer Originalform im Mittelsatz erscheint, verbunden sind. Von dem ebenfalls in Paris lebenden Prager Komponisten Karel Husa konnte ein Streichquartett, das sich durch Reichtum an rhythmischen Kontrasten und melodischen Einfällen auszeichnet, gut gefallen. Karl Amadeus Hartmann (Deutschland) war mit seiner IV. Symphonie für Streichorchester vertreten. Ein energiegeladenes, von der klassischen Symphonie völlig abweichendes, unter dem Einfluß Schönbergs stehendes Werk, das sich jedoch nicht streng an die Reihentechnik hält. Das Werk verdient es, in die künftigen Programme der Konzertveranstalter aufgenommen zu werden. Niels Viggo Bentzon (Dänemark) machte mit seinem 1. Kammerkonzert für drei Klaviere und acht Instrumente bekannt: ein für Bentzon sehr charakteristisches Werk, der hier, stets auf der Suche nach neuen Instrumentationsmöglichkeiten, eine neue Art Kammermusik geschaffen hat. Zwei Klanggruppen stehen einander gegenüber: die drei Klaviere und die übrigen acht Instrumente, von denen lediglich die Klarinette im langsamen Satz als Soloinstrument hervortritt.

Österreich war durch die Uraufführung der II. Kantate op. 31 für Soli, Chor und Orchester von AntonWebern vertreten, und es verdient festgehalten zu werden, daß dieses Werk den stärksten Erfolg des ganzen Musikfestes erzielte. Es waren österreichische Künstler, die das Werk eines Österreichers — wie schon so oft — im Ausland aus der Taufe heben mußten, da sich die Heimat jahrelang nicht entschließen konnte, dieses einzigartige, ergreifende Werk eines der größten Zeitgenossen zur Aufführung zu bringen. Der Wiener Dirigent Herbert Häfner hatte sich für die Solopartien Staatsopernsängerin Ilona

Steingruber und Otto Wiener mitgebracht und damit einen guten Griff getan. Hervorragend bewährte sich auch der Chor der flämischen Sendergruppe, der in nimmermüder Probenarbeit ein Meisterstück moderner Chorkunst vollbrachte. Dieses Ensemble, unterstützt durch das vorzügliche Brüsseler Orchester, führte Hafner zu einem triumphalen Erfolg, der darin gipfelte, daß die Kantate im gleichen Konzert wiederholt werden mußte!

Will man einen kurzen Gesaratüberblick über die aufgeführten Werke geben, so kommt man tu der Feststellung, daß die Suche nach Neuem ziemlich zum Stillstand gekommen ist und sich deutlich drei bestimmte Richtungen herauskristallisieren. Die eine versucht, die Zwölftontechnik Arnold Schönbergs weiter auszubauen und weist auffallend zu Alban Berg, die zweite hat sich Hlndemiths Schreibwelse zum Vorbild genommen, während die dritte Richtung ein ausgeprägtes rhythmisches Gebilde aufweist.

Die Durchführung des nächstjährigen Festivals wurde der Stadt Frankfurt a. M. übertragen. Die deutsche Sektion der IGNM wird fünf Orchesterkonzerte, vier Kammermusik-konzerte, drei Chorkonzerte, davon eines mit neuer geistlicher Musik, veranstalten. Der hessische Rundfunk hat sich für die Durchführung des Festivals in großzügiger Weise zur Verfügung gestellt, und die Staatstheater in Waesbaden haben sich bereit erklärt, ihren Beitrag zu diesem Festival in der Form zu leisten, daß sie eine von der Jury der IGNM zu bestimmende moderne Oper in uneigennütziger Weise einstudieren und die Kongreßteilnehmer hiezu nach Wiesbaden laden. Kongreßteilnehmer und ausländische Interpreten werden während der Dauer der Internationalen Festspiele Gäste der deutschen Sektion in Frankfurt a. M. sein. — Die österreichische Sektion hat daraufhin ihren Antrag, die Festspiele im nächsten Jahr in Wien abzuhalten, aus naheliegenden Gründen zurückgezogen.

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