herheim - © Foto: Lisa Edi

Stefan Herheim: „Auf das Wesentliche besinnen“

19451960198020002020

Nicht nur an der Volksoper, auch am jüngst umbenannten MusikTheater an der Wien ist ein neuer Impresario eingezogen: Stefan Herheim.

19451960198020002020

Nicht nur an der Volksoper, auch am jüngst umbenannten MusikTheater an der Wien ist ein neuer Impresario eingezogen: Stefan Herheim.

Werbung
Werbung
Werbung

Zu allen zusätzlichen Herausforderungen muss Neo-Intendant Stefan Herheim (geboren 1970 in Oslo) seine ersten beiden Spielzeiten in einem Ausweichquartier bestreiten, das Theater an der Wien muss nämlich dringend saniert werden. Eröffnet wird mit Francesca Caccinis „La Liberazione“ in der Kammeroper und Janáčeks „Das schlaue Füchslein“, wo Herheim auch Regie führt, im MuseumsQuartier.

DIE FURCHE: Herr Herheim, wie kommt man vom Cello zur Regie?

Stefan Herheim: Wenn einem ein Vater das Cellospielen beibringt, dabei ständig über Rigoletto, Wotan, Scarpia oder die Frauenfiguren in Mozart- und Strauss-Opern spricht und verliebt schaut, wird man als junger Mensch hellhörig. Ich hatte Gelegenheit, täglich mit ihm ins Opernhaus in Oslo zu gehen, wo er im Orchester Bratsche spielte. Was ich dort hörte und sah, hat mich so beeindruckt, dass in meinem Kinderzimmer bald ein riesiges Miniaturopernhaus entstand, in dem ich selbstgebastelte Marionetten zum laufenden Plattenspieler das ganze Opernrepertoire tanzen ließ. Für meinen Vater war Musik heilig und alles Drumherum eher suspekt, und es hat ihn geschmerzt, als ich mich als junger Mann entschied, nicht Cellist zu werden, sondern ans Theater zu gehen.

DIE FURCHE: Was sind für Sie die wesentlichen Voraussetzungen für einen Regisseur, vor allem einen Musiktheaterregisseur?

Herheim: Es gilt zu erkennen, dass der Inhalt und die dramatische Zeit einer Oper nicht vom Text allein, sondern vor allem von der Musik bestimmt werden. Im Schauspiel steht es der Regie völlig frei, den Zeitablauf selbst zu zimmern. In der Oper ist dieser aber Takt für Takt und Note um Note vom Komponisten ausgeführt worden. Wer also singenden Menschen auf der Bühne Bedeutung und Glaubwürdigkeit verleihen will, braucht vor allem eine musikalische Intelligenz. Zudem ist die Musik oft eine Botschafterin aus vergangenen Tagen und nur zu verstehen, wenn man sich auf eine Zeitreise begibt. Das hat weniger mit historischen Kostümen zu tun als mit der Vorstellungskraft und Fähigkeit, sich in andere Menschen hineinzuversetzen.

DIE FURCHE: Nach welchen Kriterien suchen Sie Bühnen- oder Kostümbildner? Müssen diese musikalisch sein?

Herheim: Ich bin selbst von der Musik so infiziert und gesteuert, dass die Zusammenarbeit mit jemandem, der keinen Zugang dazu hat, schwierig wird. Meine Partner(innen) suche ich nicht aufgrund ihrer künstlerischen Handschriften aus, sondern ihrer Bereitschaft, sich auf eine gemeinsame ästhetische Sinnsuche zu begeben und mit der Aufgabe zu wachsen. Denn es geht weniger um das, was jeder bereits beherrscht, als um das, was man dazulernen muss. Und dies braucht vor allem eines: Zeit!

DIE FURCHE: Sie bleiben weiterhin Regisseur, haben aber jetzt neue Aufgaben als Intendant, wie lässt sich das verbinden?

Herheim: Ab jetzt mache ich nur zwei Stücke pro Jahr und inszeniere ausschließlich am MusikTheater an der Wien. Der Grund hierfür ist auch meine wachsende Frustration über das, was an den großen Repertoirehäusern, an denen ich seit vielen Jahren als Gastregisseur arbeite, durch inkonsequente Führung oder fehlende Koordination immer schlechter funktioniert. Wem nützt ein brillanter Interpretationsansatz, wenn es nicht annähernd genug Proben gibt, um ihn gut umzusetzen? Wozu ein teures Bühnenbild bauen, das aus zeitlichen und personellen Gründen nicht wie vorgesehen bespielt und beleuchtet werden kann? Viele Theaterleitungen orientieren sich zunehmend an marktwirtschaftlichen Verkaufs- und Betriebsstrategien, ohne auf das Zusammenwirken der vielen Fachkräfte zu achten, von dem die Oper als Gesamtkunstwerk abhängig ist. Das macht sie von innen kaputt, denn mit der sinkenden Kommunikationskultur sinkt auch der künstlerische Anspruch eines Hauses. Als inszenierender Intendant möchte ich dieser Entwicklung entgegenwirken und habe dank des Stagione-Systems am MusikTheater an der Wien beste Voraussetzungen, das Schaffen von Kunst in den Mittelpunkt des Betriebes zu stellen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung