Klangschale - © Foto: Pixabay

Musikinstrumente-Sammlung: Der Größenwahn des Oliver Rathkolb

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Der Geiger Eduard Melkus hat sich in FURCHE Nr. 10/15 sehr kritisch mit der Absiedlung der Sammlung Alter Musikinstrumente zugunsten des geplanten "Hauses der Geschichte" in der Hofburg befasst. Markus Vorzellner legt hier noch einmal kräftig nach.

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Der Geiger Eduard Melkus hat sich in FURCHE Nr. 10/15 sehr kritisch mit der Absiedlung der Sammlung Alter Musikinstrumente zugunsten des geplanten "Hauses der Geschichte" in der Hofburg befasst. Markus Vorzellner legt hier noch einmal kräftig nach.

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Am 1. Oktober fand ein Parlamentarischer Kulturausschuss zur Frage des umstrittenen "Hauses der Geschichte" (HdG) statt. Der SPÖ-Hofhistoriker Oliver Rathkolb und sein Genosse, Minister Josef Ostermayer, verteidigten gegenüber den anderen im Kulturausschuss vertretenen Parteien und geladenen Fachleuten wieder einmal den kompletten Umbau der Neuen Burg zu einem "Ort der Kommunikation und Debatte", über alle wohlbegründeten Gegenstimmen hinweg.

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Diese gab es bei dieser Sitzung zur Genüge, denn sämtliche Parteien, ÖVP, FPÖ, Grüne und NEOS, sowie Experten, wie etwa Eva Blimlinger, Rektorin der Akademie der Künste, sprachen sich gegen das Projekt in dieser Form aus. Obwohl sie durchaus konstruktive Gegenvorschläge vorlegten, mussten sie sich für ihren Widerspruch in einem wenige Tage später publizierten Beitrag Rathkolbs auf science.orf.at einer "Innovationsresistenz" zeihen lassen; ein Vorwurf, der speziell in Richtung Grüne ein wenig seltsam anmutet.

Doch dieser Vorwurf umfasst nur einen kleinen Teil des Rathkolb'schen Kuriositätenkabinetts; bewegen sich doch der Herr Professor und die ihn unterstützende SPÖ hier in einem Graubereich zwischen bewussten Falschmeldungen, Verzögerungstaktiken und demokratiepolitisch fragwürdigen Erlässen.

Zuallererst stellt sich die Frage, was der medial so präsente Vorzeige-Historiker denn eigentlich beabsichtigt: Für sein HdG will er sich in erster Linie des sogenannten "Hitler-Balkons" bemächtigen, jenes Erkers der Hofburg-Beletage, auf welchem jener Herr aus Braunau am 15. März 1938 "den Eintritt meiner Heimat in das Deutsche Reich" verkündet hat. Rathkolb will diesen Balkon nun "brechen", wobei dieser Begriff durchaus in zweifacher Hinsicht gedeutet werden kann: Zum einen könnte er als Metapher für eine Lockerung der zu starken Fixierung auf seine Funktion als Ort der Initialzündung zum Anschluss Österreichs gesehen werden - eine Fixierung, der Rathkolb in hohem Maß selbst erliegt. Zum anderen aber scheint auch die wörtliche Bedeutung von "Brechen" in seiner destruktiven Konnotation bei Rathkolb eine durchaus ebenso große Rolle zu spielen, sieht er sich doch als Gegner des habsburgischen Erbes in seiner Gesamtheit, das es per se zu brechen gilt.

Mehrdeutiges "Brechen"

Dieses "Brechen" überragt denn auch den "Hitler-Balkon", denn Rathkolb möchte für sein HdG - um jeden Preis und über alle rationalen Argumente hinweg - jene Räume der Beletage, die hinter diesem Balkon gelegen sind, in Beschlag nehmen. In diesen befindet sich aber seit 1916 die Sammlung Alter Musikinstrumente (SAM), eine in ihrem Bestand und ihrer Präsentation einzigartige Kollektion von Musikinstrumenten von der Urzeit bis in die Gegenwart, deren einzelne bautechnische Entwicklungsstufen ziemlich lückenlos dokumentiert werden können, wie in kaum einem anderen Museum seiner Art. Diese 2001 in die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes aufgenommene Sammlung soll, geht es nach dem Willen Rathkolbs, ein Jahr vor ihrem hundertjährigen Jubiläum, abgesiedelt werden. Ersatz-Räumlichkeiten, in welchen die wertvollen Instrumente in Zukunft ausgestellt werden sollen, ja selbst solche, in denen sie zwischenzeitlich gelagert werden können und die obendrein luftfeuchtigkeits-und klimatechnisch den Anforderungen entsprechen, kann er freilich keine anbieten. Egal, diese Räumlichkeiten seien "trotz der verbundenen (sic!) Schwierigkeiten" ein idealer Ort für eine Ausstellung. Doch halt! Exponate für dieses HdG gibt es freilich keine! Der Zweck zur Nutzung der Räume ist unbestimmt. Wichtig ist nur, dass die Instrumente weichen sollen, ungeachtet der bleibenden Schäden, welche die Instrumente durch Transport und unsachgemäße Lagerung nehmen würden.

Um dieses Ziel, die Zerstörung der SAM, zu erreichen, wird ein Gewirr aus Falschmeldungen und Repressionen gewoben, das seinesgleichen sucht: Da wird mit Zahlen operiert, deren Unverfrorenheit selbst Laien in Erstaunen versetzen: So spricht Minister Ostermayer noch im Jänner davon, dass jene elf Millionen Euro, die durch die Verkleinerung des Weltmuseums von 4600 auf 3900 Quadratmeter frei würden, für die Finanzierung des HdG reichen könnten; im Mai erfährt die Öffentlichkeit dann von etwa 60 Millionen Euro, und vor kurzem präsentierte der Standard die Summe von 120 Millionen Euro (doch kursieren in einschlägigen Kreisen noch höhere Zahlen)! Kurios mutet in diesem Zusammenhang auch Ostermayers Satz an, die Ansiedlung des HdG in der Neuen Burg werde "deutlich billiger als ein Neubau".

Speziell um die Zerstörung der SAM zog sich im Lauf der Diskussionen ein Netz von Maßnahmen zusammen, welches einem Katalog staatspolitischer Kuriositäten entnommen sein könnte: So fand etwa am 22. Juni eine von ICOM (International Council of Museums) organisierte Informationsveranstaltung zum HdG statt, wo einem äußerst langatmigen und sprachlich etwas eigenartigen Vortrag Rathkolbs eine Podiumsdiskussion folgte, bei welcher zwar einige Museumsexperten sowie der Direktor der Hofjagd- und Rüstkammer, Matthias Pfaffenbichler, eingeladen waren, nicht jedoch der Leiter jener Sammlung, deren Existenz zur Disposition stand. Auf die Frage an ein ICOM-Mitglied, warum das so sei, wurde erklärt, Direktor Rudolf Hopfner sei zwar eingeladen worden, habe aber die Einladung abgelehnt - ein Umstand, der eindeutig auf Fehlinformation zu beruhen schien, da Hopfner niemals eine solche Einladung erhalten hatte, folglich auch nicht hätte absagen können.

Des Weiteren wurde die Persönlichkeit Nikolaus Harnoncourts in hohem Maß missbraucht. So soll der Dirigent, nach Angaben von Josef Ostermayer, für eine "Erneuerung der SAM" eingetreten sein, wodurch suggeriert werden sollte, dass selbst Harnoncourt die gefährdende Absiedlung bejaht habe. Über das tatächlich stattgefunden habende Gespräch äußerst ein Freund Harnoncourts dem Autor dieses Beitrags gegenüber: "Der Maestro hat ja auf sehr verschlungenen Wegen versucht, Herrn Ostermayer zu erreichen - und letztendlich ein Gespräch mit ihm geführt, dessen öffentliche Zusammenfassung ihn ebenso erstaunt, wie Sie."

Zur selben Zeit bekamen die Mitarbeiter der SAM einen ministeriellen Maulkorberlass verpasst: Es habe, von deren Seite aus, nichts an die Öffentlichkeit zu dringen, es dürften keine Interviews gegeben werden etc. Weh dem, der diesen sozialistischen Befehlen zuwiderhandelt! Es war bezeichnend, dass bei besagter Veranstaltung Matthias Pfaffenbichler von Diskussions-Moderator Thomas Trenkler gefragt wurde: "Dürfen Sie frei reden?" Der Direktor bestätigte, dass er das sehr wohl dürfe.

Demokratieresistenz

Innerhalb des der Diskussion vorangehenden Vortrags findet sich auch der kuriose Gipfelpunkt: Rathkolb bekannte in einem grammatikalisch äußerst fragwürdigen Satzgebilde: "Das ist, meine Damen und Herren, nun auch der zentrale Grund, warum dieser Raum trotz der höchst problematischen Auseinandersetzung um die neuen Räume der SAM für das HdG aus unserer Sicht her, was den Beirat betrifft, ein höchst geeigneter Raum ist, weil er eigentlich schon von seiner Grundanlage her, die Räumlichkeiten, also diese, wenn man alles zusammenzählt, mit den Plateaus und breiten Gängen und der Ebene Richtung Burggarten, mit dem Marmorsaal in der Mitte - das sind nicht diese Räume des HdG Österreichs. Die wirklichen Räume sehen Sie hier vom Balkon zum Heldenplatz Richtung Rathaus: Das ist das, was uns interessiert. Es ist die demokratiepolitische Achse Richtung Parlament."

Die geringe Substanz, die man diesem wörtlich zitierten Konvolut konkret zu entnehmen vermag, ist, dass die Räume, die möglichst schnell von den Instrumenten freigeräumt werden sollen, offensichtlich gar nicht jene Räume sind, die man zu brauchen vorgibt. Trotzdem aber sollen sie leergeräumt werden! Hier ist mit großer Wahrscheinlichkeit Sinnhaftigkeitsresistenz zu diagnostizieren. Diese scheint sich bei Oliver Rathkolb - bedenkt man seine Trotzreaktion nach dem Parlamentarischen Kulturausschuss - in beispielhafter Weise mit einer Art Demokratieresistenz gepaart zu haben.

Der Autor ist Pianist, Publizist und Vortragender.

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