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"Daphne" von Richard Strauss nach 32 Jahren wieder an der Staatsoper: subtil und eindringlich.

All diejenigen, die befürchtet hatten, die Neuproduktion von Richard Strauss' "Daphne" könnte auf die von den politischen Ereignissen der 1930er-Jahre überschattete Biografie des Komponisten Bezug nehmen, seien beruhigt: schon im Vorfeld hatten Regisseur Nicolas Joel und Ausstatter Pet Halmen erklärt, dass es ihnen bei ihrer Arbeit nicht um "Strauss und Politik" gehe, sondern um ein Frauenschicksal - das Los einer Frau, die mit ihrer Ehe, ihrer Beziehung zu Männern und ihrer Sexualität Probleme hat.

Frauenschicksal

Die Oper beginnt deshalb in der Produktion der Staatsoper nicht in mythologischer Zeit, sondern in einem eleganten, der imitierenden Antike der Münchner Villa Stuck nachempfunden Salon des 19. Jahrhunderts. Dort scheint eine schlafende Frau Stimmen zu hören, im Traum wird sie zu Daphne, erlebt das Schicksal der griechischen Sagenfigur. Durch diesen gelungenen Kunstgriff wird die Geschichte näher an den Zuseher herangebracht: die Distanz zur Handlung, die fraglos in der problematischen Aufführungsgeschichte des Werkes eine nicht ungewichtige Rolle spielt, wird überbrückt - und ermöglicht es trotzdem hinter dem nicht nur sinnbildlichen, sondern im Bühnenbild tatsächlich vorhandenen Rahmen die Geschichte (fast) in ihrer originalen Gestalt zu erzählen.

Es sei zwar vermerkt, dass das dionysische Fest allzu hilflos vordergründig geriet, auch dass Daphne sich nicht in einen Baum, sondern in eine gläserne Säule verwandelt, an einer im ganzen überzeugend gelungenen, durchdacht sinnvollen Bühnenrealisation konnten solche Marginalien aber nichts ändern. Ein paar wenige Buhs für das Produktionsteam gab es dennoch bei der Premiere, für die musikalischen Interpreten dagegen ausschließlich Jubel - und dies weitgehend zu Recht. An erster Stelle ist dabei Johan Botha zu nennen, der mit unerschütterlicher stimmlicher Kraft souverän alle Höhenphrasen erklomm und alle dramatischen Ausbrüche des Apollo in grandioser Nachdrücklichkeit durchmaß. Ebenso mühelos sang die dauerpräsente Ricarda Merbeth die Daphne, mit klarer Tongebung, strahlenden Spitzentönen und gut geformten, leuchtenden Legatophrasen - zweifellos die bisher überzeugendste Leistung der Sängerin an der Staatsoper, bei der man nur eines vermisste: differenzierte Farben und beseelte Untertöne in ihrer zwar bravourös beherrschten, aber doch monochrom geführten Stimme. Eine darstellerisch wendigen Leukippos gab Michael Schade mit sehr charaktertenoralem Organ, gekünstelt wirkte Marjana Lipovsek als Gaea, polternd Walter Fink den Peneios, stimmig tönten dagegen die Schäfer und Mägde.

Verinnerlichte Sinnlichkeit

Sie alle konnten sich auf einem detail- und farbenreichen orchestralen Teppich der Luxusklasse entfalten - dank Semyon Bychkov am Pult. Was er an subtilen Feinheiten und delikaten Schattierungen, an verinnerlichter Sinnlichkeit und zupackender Wucht mit dem in Topform musizierenden Orchester zum ausdrucksstark intensiven Klingen brachte, glich einer Fürsprache für das selten aufgeführte, an der Wiener Staatsoper seit 32 Jahren nicht mehr gezeigte und nun erst in seiner dritten Wiener Inszenierung auf die Bühne gebrachte Strauss'sche Spätwerk, wie sie bedingungsloser und eindringlicher nicht ausfallen konnte.

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