Nach dem Nachkriegsschutt

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Die Leistungsschau österreichischer Architektur im Wiener Architekturzentrum ist komplett. Die dritte Etappe zeigt die Produktionsvielfalt seit 1958.

Mit Etappe drei ist die "a_schau" zur österreichischen Architektur im 20. und 21. Jahrhundert im Heute gelandet und damit komplett. "Inhaltlich ist das so wichtig wie unsere Eröffnung", sagt Dietmar Steiner, Leiter des Architekturzentrum Wien. Die "weltweit beste Gesamtschau" ist nun um das Sitzmöbel "Monte Bello" und die Themen International, System, Utopie, Collage und Gegenwart reicher. Mangelnder historischer Distanz und enormer Produktionsvielfalt der letzten Dekade begegnen die Kuratorinnen Monika Platzer und Gabriele Kaiser mit 100 Bauten in einem medialen Schaufenster.

Bauten der Medienzeit

An grüngepolsterte Gebirgsrücken gelehnt, ziehen puristische, panoramareiche Quader, spacige Freiformen, Raumfaltungen, edle Kirchen, lichte Schulen, Kindergärten, offene Altersheime, innenhelle Atriumhäuser u.ä. am Besucher vorbei. Architekt, Ort, Funktion, Planeinblendungen: die reiche Bilderflut reflektiert Blick und Bauten der pluralistischen Mediengesellschaft. Porträts von Architektenpersönlichkeiten zieren die Wand, als Talk-Show-Äquivalent fungieren Ordner mit beantworteten zehn Fragen. U.a. liest man da, dass Luigi Blau gern ein Pinguinbecken bauen und Günther Domenig mit Antoni Gaudí zusammenarbeiten würde. Realkonfrontation mit Bauten und Hintergrund bietet das AzW-Programm, das sich auch als Verlängerung der Schau versteht.

Doku gebauter Geschichte

Souverän halten die bildschirm-und datenbestückten Themeninselmöbel vom Design Studio Walking-chair eine gewaltige Informationsfülle bereit. Vorm Hintergrund von Marksteinbauten und Weltereignissen entfaltet sich die üppige Blütenlese aus 150 Jahren nationaler Baukultur. Themenübergreifend spannen 170 Architekten und 420 Projekte ein dichtes Beziehungsnetz wiederkehrender Namen und Anliegen über die gebaute Geschichte, machen unter diversen Aspekten Kontinuitäten und Tendenzen sichtbar.

Etappe drei startet 1958, als Österreich, befreit vom Nachkriegsschutt, den internationalen Anschluss fand. Roland Rainer war Stadtplaner, die Wirtschaft erholte sich, der Pavillon, den Karl Schwanzer auf vier Stahlstützen mit transluzenter Fassade für die Expo Brüssel plante, machte weltweit Furore. Zum 20er Haus adaptiert setzte er lang Museumsmaßstäbe. 1958 wurde das Seelsorgezentrum Ennsleiten der Arbeitsgruppe 4 gebaut, das zweite Vatikanum und die Systembauweise brachten weitere revolutionäre Kirchen von Ottokar Uhl, Josef Lackner und anderen.

Im Sog von 68ern, Rockn'Roll, Pneumatik und Mondlandung stellten us-begeisterte Jungarchitekten und Künstler mit Manifesten, Aktionen und Utopien, die bis heute nachwirken, die Architektur auf den Kopf. Raimund Abraham ersann röhrenförmige "linear cities", HausRucker&Co. den "Mind-Expander", Hans Hollein transformierte einen Flugzeugträger in der Landschaft, weltrauminspiriert plante er das Kerzengeschäft Retti, sein Haas-Haus-Interieur gibt's nur noch in der a_schau. Den ersten dekonstruktivistischen Flügelschlag setzten Coop-Himmelblau auf ein Wiener Dach in der Falkestraße, singulär ist Günther Domenigs Steinhaus, das wie seine Z-Sparkasse auch filmisch fasziniert. Das muss man neben den weiteren Preziosen selbst a_schaun. Isabella Marboe

a_schau

Architekturzentrum Wien

Museumplatz 1, 1070 Wien

Tägl. 10-19 Uhr, Mi 10-21 Uhr

Info zu Rahmenprogramm und Führungen: www.azw.at

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