Nach der Walpurgisnacht

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Wir staunenden Leser trauten unseren Augen nicht, als in der letzten profil-Nummer des April 1999 einer leibhaftig auf der Titelseite des ältesten Nachrichtenmagazins des Landes abgebildet wurde, der seit Menschengedenken hier noch nie hofiert worden war: Hans Dichand, Krone-Chef und Machthaber auf vielerlei Ebenen, durfte mit Männerfreund Norman Mailer und der Titelzeile "Der Krieg ist feig" grimmig vom profil-Cover lächeln.

Wie sich die Zeiten ändern: Vor kurzem noch wäre der Gottseibeiuns der liberalen Publizistik wohl kaum so gebauchpinselt worden wie in besagtem profil. Doch zum einen sitzen - wie ja bekannt ist - Dichand und die profil-Mannen und -Frauen via Mediaprint im selben Boot. Zum anderen vermuten wir, daß die Walpurgisnacht ihre Schatten in die profil-Redaktion vorausgeworfen hatte. Jedenfalls breiteten sich die zwei Haudegen Dichand und Mailer aus - zwar nicht auf dem Blocksberg, aber immerhin in Dichands Stammbeisl Hotel Bristol, und später dann, auf Hochglanzpapier, eben im profil.

Ja, zwei Kriegshelden konnten da räsonnieren, etwa über den Mut der serbischen Soldaten, der demjenigen der NATO-Truppen und schon gar jenem des österreichischen Bundesheeres haushoch überlegen sei ...

Der Sündenfall des profil blieb nicht ohne Folgen. Denn Hans Dichand ist immer noch ein Meister, wenn es darum geht, andere für sich zu instrumentalisieren. Jedenfalls durfte sein Tete-a-tete mit Norman Mailer auch dem Krone-Leser (welcher wohl eher selten zu den profil-Konsumenten zählt) nicht verborgen bleiben: Am 1., 3. und 4. Mai stellte die Krone je eine ganze Seite den beiden alten Herren Dichand und Mailer zur Verfügung. Immerhin einmal, am 1. Mai, wurde en passant erwähnt, daß das Gespräch "auf Initiative des ,profil'" stattgefunden hatte.

Aber in derselben Ausgabe mußte Dichand dann die Sicht der Dinge auch zurechtrücken, indem er "der Veröffentlichung des Mailer-Dichand-Gespräches in der ,Kronen Zeitung' ein paar Gedanken voranstellen" wollte, "die er für sehr wesentlich hält".

Das Multikulturelle, so Dichand, werde "zwar Tag für Tag, hauptsächlich von links," als "universales politisches Allheilmittel oktroyiert". Von der doppelten Staatsbürgerschaft in Deutschland über den Islam bis zum Kosovokrieg ist der Krone-Boß mit Beispielen zur Hand, um die bekannte Linie von Österreichs größtem Kleinformat in bezug auf Ausländer in Stellung zu bringen.

Wir vermuten: So mancher profil-Macher wird am 1. Mai (nach der soeben vergangenen Walpurgisnacht) einen ordentlichem Kater verspürt haben, als er die Krone aufschlug.

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