Nachdenken über Österreich

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Die Furche-Herausgeber

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Der UNO-Sicherheitsrat tagte am Wochenende in Alpbach. Welch Labsal für unsere rotweißrote Seele. Endlich wieder ein Besuch der Großen – inoffiziell zwar, aber doch. Und plötzlich war sie da, die Erinnerung von einst: an die Gipfeltreffen, Konferenzen und stillen Begegnungen in Österreich: Kennedy und Chruschtschow, Carter und Breschnjew, Nixon und Sadat, KSZE und SALT … Wie klar war damals das Weltbild im Zeichen des Kalten Krieges. Und wie einfach war es, unsere Rolle zu definieren: Österreich als neutraler Brückenbauer; als „Wachturm der Freiheit“ am Eisernen Vorhang; als dritte UNO-Stadt; als gesuchter Vermittler – und als „rettender Hafen“ für asylsuchende Ungarn, Tschechoslowaken und Sowjetjuden.

Wer sonst, wenn nicht wir, stellten den UNO-Generalsekretär, den Chef des Europarates, die Kommandanten wichtiger Friedenstruppen und – beinahe – den Papst.

Siegeszug der Freiheit

Dann kam die Wende: der Zusammenbruch des Kommunismus samt Siegeszug der Freiheit; der Aufstieg EU-Europas – und die zunehmende Konturlosigkeit unserer Neutralität.

„Hort der Stabilität im epochalen Umbau Europas“, das waren wir ab 1989 noch für ein gutes Jahrzehnt. Und jetzt? Wer oder was ist Österreich – in den Augen der Welt und für uns selbst? Wie würden wir heute unsere Rolle und unsere nationalen Ziele auf den Punkt bringen? Wie unsere unverwechselbare Farbtönung im bunten Bild der europäischen Nationen beschreiben?

Als Hort der Stabilität? – Na ja, mit kleinen Blessuren. Als neutraler Brückenbauer? – Wohl kaum. Als gesuchter Vermittler? – Die Nachfrage ist bescheiden geworden. Als dritte UNO-Stadt? – Der Stolz ist verflogen. Als Andockplattform für junge Demokratien? – Das ist vorbei. Als Europas großes Asylland? – Sicher nicht.

Um nicht missverstanden zu werden: Nichts oder nur wenig an dieser großen Wende hat Österreichs Politik selbst verschuldet. Die Welt ist einfach eine andere geworden. Und vielleicht ist im großen Geleitzug der EU sogar die Frage nach einer „nationalen Mission“ – nach unserem Selbstverständnis und einer von außen erkennbaren Selbstdarstellung – schon fragwürdig und veraltet.

Prioritäten und Wegzeichen

Und doch sollten wir uns das Nachdenken über Österreichs „corporate identity“ nicht ersparen. Sollten nicht länger ohne möglichst klar formuliertes Staatsinteresse – ohne Prioritäten und Wegzeichen – einfach dahinwursteln.

Viele sehr konkrete Fragen warten auf ehrliche Antworten: Was heißt noch Neutralität? Welche Verteidigung braucht unser Land wirklich? Wo ist unsere politische, kulturelle, wirtschaftliche Präsenz vorrangig – und wo können wir uns mit anderen vernetzen? Wo sind unsere globalen Hoffnungsregionen? Und welchen geistigen, ökologischen usw. Beitrag leisten wir zur Selbstfindung Europas?

Mag schon sein, dass es darauf in versteckten Nachdenkstuben und vertraulichen Papieren manch intelligente Antworten gibt. Die Alltagspolitik haben sie bisher kaum erreicht. Und noch weniger uns Bürger.

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