Nachhaltigkeit weltweit

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Im März dieses Jahres wurde nach jahrelangem Ringen die "Earth Charter" im Unesco-Hauptquartier in Paris verabschiedet. Jetzt gilt es, diesen Aufruf für eine nachhaltige Form des Wirtschaftens umzusetzen.

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Im März dieses Jahres wurde nach jahrelangem Ringen die "Earth Charter" im Unesco-Hauptquartier in Paris verabschiedet. Jetzt gilt es, diesen Aufruf für eine nachhaltige Form des Wirtschaftens umzusetzen.

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Die Earth Charter - zu Deutsch Erd-Charta - ist eine weltweite Erklärung, die die Menschheit zu einer nachhaltigen Bewirtschaftung ihrer Lebensgrundlage anhalten will, die Vision einer friedlichen Zukunft des blauen Planeten. Grundlage ist die Einsicht in die wechselseitige Abhängigkeit aller Menschen und Lebewesen sowie die Verantwortung aller für eine lebenswerte Zukunft.

"Der Schutz der Umwelt der Erde mit ihren begrenzten Ressourcen ist eine vorrangige Aufgabe der gesamten Menschheit," heißt es in der Präambel. "Grundlegende Veränderungen in unseren Einstellungen, Werte und unserer Lebensführung sind notwendig." Gefordert werden Ehrfurcht vor der Erde sowie freie, gerechte, partizipatorische, nachhaltige und friedliche Gesellschaftsformen.

Die Erd-Charta will die Fülle und Schönheit der Schöpfung sichern. Ökologische Systeme sollen bewahrt, Umweltschutznormen und Überwachungssysteme eingerichtet werden. Eine nachhaltige Wirtschaftsordnung kann die regenerativen Kräfte der Erde schützen. Abfallvermeidung, erneuerbare Energiequellen, Produktkennzeichnung sind Aspekte davon. Armut beseitigen, rassenbezogene und religiöse Gleichberechtigung, indigene Völker wertschätzen, Gleichstellung der Geschlechter...

Viele Sätze der Erd-Charta klingen illusorisch, aber ist es nicht letztendlich wichtig, eine solche Vision überhaupt zu haben? Ziel der Charta ist eine Neudefinition der Prioritäten, mit dem Ziel eines internationalen Vertrages über Umwelt und Entwicklung.

Was in wenigen Sätzen geballt daherkommt, ist Ergebnis eines langwierigen Diskussionsprozesses. Am Anfang stand die Unzufriedenheit mit der Menschenrechtserklärung der UNO von 1945. Sie erklärt zwar Frieden und soziale Entwicklung, nicht jedoch den Umweltschutz zum universalen Anliegen.

Impulse nach Rio Daher wurde bereits 1987 von der UN-Kommission für Umwelt und Entwicklung eine neue Charta zu Umweltschutz und nachhaltiger Bewirtschaftung gefordert. Der Wunsch nach einer solchen "Earth Charter" stand dann auf der Themenliste beim Umweltgipfel in Rio de Janeiro 1992. Doch die Regierungen konnten keine Einigung erzielen. Statt dessen wurde das eher zahnlose Aktionsprogramm "Agenda 21" verabschiedet.

Der Generalsekretär der UN-Konferenz, der kanadische Industrielle Maurice Strong, betrieb jedoch die Entwicklung der Earth Charta weiter. Der "Earth Council" als Beratungsgremium entstand, und er bereitete den Entwurf einer Deklaration vor. An der Spitze des Gremiums steht Steven Rockefeller, ein Sproß der legendären Millionärsfamilie, der sich dem Umweltschutz verschrieben hat.

Zusammen mit dem von Michail Gorbatschow gegründeten Internationalen Grünen Kreuz und der Unterstützung der holländischen Regierung begannen Experten 1995 mit der Ausarbeitung der UN-Erklärung. Vertreter internationaler Organisationen beteiligten sich ebenso wie religiöse und kirchliche Gruppen und Privatpersonen. 1997 wurde als erweitertes Gremium die "Earth Charter Commission" gegründet, die einen ersten Entwurf auf dem Gipfel "Rio+5 Forum" präsentierte. 1999 wurde dann ein zweiter Entwurf vorgelegt, der an zahlreiche Interessenten verteilt und aufgrund deren Anmerkungen nochmals redigiert wurde.

Nach der endgültigen Verabschiedung im März diesen Jahres wurde Ende Juni die Erd-Charta erstmals der europäischen Öffentlichkeit bei einem Festakt in Den Haag vorgestellt. Kurz darauf erfolgte die erste Veröffentlichung in Deutschland, beim Kongress der Lokalregierungen zum Thema "Nachhaltige Entwicklung" in Sachsen-Anhalt. Bürgermeister aus aller Welt, die in ihrer Verwaltung Abfallvermeidung, Recycling und Ressourcenschonung betreiben, waren zum Gedankenaustausch gekommen.

So hat beispielsweise die Stadt Heidelberg einen eigenen Umweltbürgermeister, der dem Dezernat "Umwelt und Energie" vorsteht. Aber auch andere Institutionen arbeiten in Deutschland an der Verbreitung der Erd-Charta und ihrer Ziele, so die Evangelische Akademie Hamburg oder das "Internationale Netzwerk von Naturwissenschaftlern und Ingenieuren für globale Verantwortung".

In Österreich wurde das "International Institute for Global Ethics" gegründet, das sich der Bekanntmachung und Unterstützung der Erd-Charta verschrieben hat. Das Institut organisiert Vorträge, Workshops und Seminare.

Fragen der Ethik Einen besonderen Schwerpunkt bildet dabei das Thema "Ethik in der Wirtschaft", erläutert Jacqueline Wagner, die Leiterin des Instituts. Industrieunternehmen, Banken und Versicherungen werden beraten, wie nachhaltiges Wirtschaften, die Benützung erneuerbarer Energien und Recycling gefördert werden können. Großen Wert legt das Institut aber auch auf die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen, die lernen sollen, Verantwortung für die Gesellschaft und die Umwelt zu übernehmen.

In den nächsten Jahren soll es darum gehen, die Erd-Charta immer größeren Teilen der Weltbevölkerung bekannt zu machen und dadurch eine weitreichende Identifikation mit ihren Zielen zu erreichen. 2002 soll die Charta offiziell von der UNO verabschiedet werden.

In einem "Internationalen Vertrag über Umwelt und Entwicklung" sollen dann rechtliche Rahmen für die Gesetzgebung der nationalen Regierungen gesetzt werden. Eine neue Ehrfurcht vor dem Leben und die Wiederherstellung der ökologischen Integrität der Erde sind die Forderungen im Schlußwort der Erd-Charta. Mit dem Nachsatz: "Wir werden Erfolg haben, weil wir es müssen".

Zur Information: Alle Informationen zur Earth Charter sind im Internet unter: www.earthcharter.org abrufbar.

Die deutsche gekürzte Fassung ist unter: www.earthcharter.org/draft/german.htm einsehbar.

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