Nachruf auf die deutsche Komödie

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In "Ausgerechnet Sibirien“ unterhält Joachim Króhl an der Seite von Katja Riemann. Ein Gespräch über Neuausrichtungen und ein Genre-Déjà-vu.

Joachim Król mimt in "Ausgerechnet Sibirien“ einen Spießer, der emotional und spirituell umgekrempelt wird. In der FURCHE spricht er über das Esoterik-Märchen und die Rückkehr der deutschen Großstadtkomödie.

Die Furche: Wie ist es denn für einen Deutschen in Sibirien?

Joachim Król: Da haben Sie mich erwischt - Deutsche sind ja schnell überfordert, wenn es im fremden Land, nun ja, fremd ist. Natürlich bin ich eine Ausnahme (lacht). Ich jedenfalls habe bemerkt, wie stark der Kapitalismus dort aufgeschlagen ist. In den Städten herrscht eine ungeheure Härte. Die Neureichen zeigen, was sie haben, aber der reguläre Russe rennt von Job zu Job und muss zehnmal so hart arbeiten wie bei uns. Ich hatte immer den Eindruck: Auch wenn alles da ist, irgendjemand hat kurz vorher mit dem Hammer draufgehauen. Das ist für mich die prägende Erinnerung an das ganze Land. Russland ist angeschlagen, auch die Menschen dort sind es.

Die Furche: Der Vertreter Matthias Bleuel, den Sie im Film spielen, bricht dort plötzlich aus seinem bisherigen Leben aus und folgt dem Herzen anstatt wie bisher dem Verstand. Wonach entscheiden Sie?

Król: Ich bin in dieser Hinsicht ein zerrissener Mensch. Ich bin Zwilling im Sternzeichen: An vielem interessiert, manchmal entscheidungsunfreudig, sehr spontan und verlässlich. Wenn ich zu etwas Ja sage, dann bin ich zu hundert Prozent dabei und darin auch beinahe perfektionistisch. Ich glaube, dass in meinen wesentlichen Lebensentscheidungen bisher der Kopf dominiert hat. Ich bin ein Mensch, der Konsequenzen überdenkt. Ich bin also eher verkopft. Es gab aber auch sicherlich Zeiten, in denen im Rückblick vielleicht das Herz überwog.

Die Furche: In "Ausgerechnet Sibirien“ sind Sie frisch geschieden von einer Frau, die Katja Riemann spielt. Ist das ein versteckter Nachruf auf die deutschen Komödien der 90er mit ihren ewig gleichen Besetzungen?

Król: Das ist tatsächlich ein versteckes Cameo eines Genres. Ich hatte diese Rollen in den 90ern abgelegt, und mein Spektrum erweitert. Ich habe meinen Beruf immer so verstanden, dass ich Verschiedenes ausprobieren kann, soll und will. Aber ich habe mir gesagt: Jetzt ist Schluss mit den lebensuntüchtigen und ein bisschen merkwürdigen, wenn auch sympathischen Figuren.

Die Furche: Die deutschen Großstädterkomödien wurden bald Einheitsware.

Król: Es ist passiert, was man hätte vermeiden sollen. Wir haben damals ja einen Markt etabliert: Plötzlich konnte man mit deutschen Komödien Geld verdienen. Da wurde dann immer wieder auf die gleiche Karte gesetzt. Konsequenterweise war dann auch Sendepause und es kam eine Weile lang nichts mehr. Ich habe damals eine Zeit lang nicht gearbeitet, denn manchmal ist die Vorstellungskraft der Entscheider recht klein.

Die Furche: Wichtig für Ihre Neuausrichtung war Rolf Schübel, der sie in "Gloomy Sunday“ gegen Ihren Typ besetzte?

Król: Da durfte ich einen Restaurantbesitzer in Budapest spielen, ganz anders als meine bisherigen Rollen. Ein Geschenk, für das ich dem Produzenten Stefan Arndt noch heute dankbar bin, war der Thriller "Lautlos“. Dort spiele ich diesen austrainierten, sehr physischen Killer. Darauf wäre ich selbst zu dem Zeitpunkt nicht gekommen.

Die Furche: Herr Bleuel entdecket im Film die Spiritualität. Wie halten Sie es damit?

Król: Ich kann mit Spiritualität nicht viel anfangen. Ich kann einen schönen Tag genießen und ziehe die Schultern hoch, wenn’s grau ist. Aber diese neue Spiritualität ist Teil unserer Gegenwartskultur. Viele suchen Gemeinschaftserlebnisse oder Halt im Leben. Jeder soll das auf seine Weise tun, solange es niemand anderen gefährdet.

AUSGERECHNET SIBIRIEN.

D/RU 2012, Regie: Ralf Huettner. Mit: Joachim Król, Vladimir Burlakov, Yulia Men, Armin Rohde,

Katja Riemann, Filmladen, 100 Minuten

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