Die Musikpädagogin und -psychologin Margit Painsi vom Institut für Musikpädagogik der Musikuniversität Wien über Nachwuchsförderung im selbst ernannten Musikland Österreich.
Die Furche: Frau Painsi, Österreich rühmt sich als Musikland – wie gut sind wir in der Nachwuchsförderung wirklich aufgestellt?
Margit Painsi: Insgesamt würde ich sagen, dass die Nachwuchsförderung funktioniert, wobei es da und dort Verbesserungen brauchen würde.
Die Furche: Wie gut sind die Musikschulen?
Painsi: Ihre Qualität ist sehr gut. Musikschulen haben sich in den letzten Jahrzehnten zu einer Bildungseinrichtung etabliert, in der künstlerisch und pädagogisch auf hohem Niveau gearbeitet wird. Die Lehrerinnen und Lehrer, die an Musikschulen unterrichten, absolvieren in der Regel ein Studium der Instrumental- oder Gesangspädagogik an einer österreichischen Musikuniversität, das sechs Jahre dauert und die Studierenden bestens auf das Berufsfeld Musikschule vorbereitet.
Die Furche: Was leisten sie?
Painsi: Musikschulen leisten Arbeit in zwei Bereichen: Erstens in der musikalischen Ausbildung aller Musikinteressierten. Das beginnt schon mit Babys und Kleinkindern, die gemeinsam mit den Eltern die musikalische Früherziehung besuchen, und endet bei Senioren, die aus Liebhaberei musizieren. Dazwischen gibt es die Kinder und Jugendlichen, die neben dem Instrumentalunterricht in Ensembles und Orchestern mitspielen, in Chören singen und an verschiedenen Projekten teilnehmen. Der zweite wichtige Bereich ist die Förderung des kleinen Anteils Hochbegabter. Musikschulen vermitteln zudem nicht nur das Spiel auf einem Instrument, sondern auch allgemeinmusikalische Bildung. Immer wichtiger werden auch andere Bereiche der Kunst wie Tanz, Schauspiel oder bildende Kunst.
Die Furche: Was muss sich im System Musikschule verbessern?
Painsi: Es müsste sich die Zugangsmöglichkeit noch verbessern. Vor allem Kinder- und Jugendliche müssten die uneingeschränkte Möglichkeit haben, ein Instrument zu erlernen, wenn sie das möchten. Besonders in Wien ist diese Möglichkeit aufgrund von viel zu wenigen Ausbildungsplätzen an öffentlichen Musikschulen nicht gegeben. In den Bundesländern ist die Situation in dieser Hinsicht wesentlich besser. Dort haben beispielsweise auch Kinder, die in entlegenen ländlichen Gebieten wohnen, meist die Möglichkeit, ein Instrument zu erlernen, und die Versorgungsdichte ist deutlich höher. Ein wesentlicher Punkt ist auch die Stellung der Musikschulen im gesamten Bildungssystem. Es wäre besonders wichtig, Musikschulen und insbesondere die Bedürfnisse der Schüler, die eine Ausbildung an Musikschulen absolvieren, in schulpolitischen Debatten stärker zu berücksichtigen. Schüler, die ein Instrument lernen, brauchen Zeit und Raum zum Üben. Diese zeitlichen Ressourcen sollten für die Schüler zur Verfügung stehen und in ganztägigen Schulformen nicht in die Abendstunden verbannt werden.
Die Furche: Können unsere Musikschüler mit der Konkurrenz aus dem Ausland überhaupt mithalten?
Painsi: Die Konkurrenz aus anderen Ländern ist sehr hoch; dennoch zeigt sich immer wieder, dass österreichische Musikschüler mithalten können.
Die Furche: In Venezuela gibt es das erfolgreiche Projekt der Jugendorchester. Sollte das bei uns Schule machen, um sozial Schwache besser in die Gesellschaft zu integrieren?
Painsi: Bei uns sind die Gegebenheiten völlig anders als in Venezuela: Daher wäre es schwierig bis unmöglich, ein solches Projekt bei uns umzusetzen. Ein erster Schritt wäre, Kindern und Jugendlichen unabhängig von der finanziellen Stellung der Familie die Möglichkeit zu geben, ein Instrument zu erlernen. Wie bereits erwähnt, gibt es in Wien einen eklatanten Mangel an Ausbildungsplätzen an öffentlichen Musikschulen, was dazu führt, dass viele Kinder nur dann die Möglichkeit haben, ein Instrument zu erlernen, wenn sich die Familie Privatunterricht leisten kann. In den Bundesländern ist die Situation diesbezüglich deutlich anders. Weiters könnten insbesondere verstärkte Kooperationen zwischen Regelschulen und Musikschulen dazu beitragen, auch Kinder und Jugendliche aus bildungsferneren Familien zur Musik zu bringen, was sich höchstwahrscheinlich günstig auf deren weitere Entwicklung auswirken würde.
* Das Gespräch führte Regine Bogensberger