Nackt, wie die Strahlung uns schuf

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Mit Ganzkörperscannern auf Flughäfen wollen sicherheitsbewusste Regierungen dem Terror ein Schnippchen schlagen. Doch die Technologie ist noch zu unausgereift, um alle Zweifel auszuräumen. In Amsterdam laufen praktische Versuche, in Labors weitere mit neuer Technik. Beides will Österreich vorerst abwarten.

Das geplante Fanal der Zerstörung ist es zum Glück zwar nicht geworden, doch mit seinem misslungenen Sprengstoffanschlag am Christtag des Vorjahres über Detroit hat Abdul Faruk Abdulmutallab immerhin eine Diskussion neu entzündet. Gegenstand der Uneinigkeit sind Ganzkörperscanner, von ihren Gegnern suggestiv als „Nacktscanner“ tituliert. Dieser Name erklärt sich aus dem Umstand, dass die Geräte durch die Kleidung der Passiere „sehen“ können und mehr oder weniger detailgetreue Bilder des blanken Körpers liefern. Auf diesen sieht man zwar versteckte Gegenstände wie Messer oder Schusswaffen, aber eben auch intime Details, die man gerechtfertigt nicht zeigen will. Die neue Qualität der Sicherheitsstandards wäre deshalb teuer erkauft, meinen Kritiker und verweisen auf grundlegende Persönlichkeitsrechte. Auch eine mögliche Gesundheitsgefährdung durch die Bestrahlung steht im Raum.

An mehreren Flughäfen werden die Geräte weltweit bereits getestet, darunter auch Amsterdam Schiphol (von wo der erfolglose Bomber pikanterweise abflog). Für einen Körperscan begibt sich der Passagier in eine Kabine und hebt die Arme. Dann wird er mit elektromagnetischen Wellen bestrahlt. Aus dem unterschiedlichen Absorptions- und Reflexionsverhalten von menschlichem Gewebe und künstlichen Gegenständen ergibt sich ein Bild davon, was man „drunter trägt“. Der Vorgang dauert etwa zehn Sekunden.

Röntgenstrahlung wird abgelehnt

Ganzkörperscanner können auf zwei unterschiedlichen Strahlungstypen beruhen. Da gibt es zum einen die bekanntlich fast jedes Material durchdringende Röntgenstrahlung. Die solcherart gewonnenen Bilder zeigen deshalb auch Gegenstände, die man verschluckt oder auf andere Art im Körperinneren versteckt hat. Allerdings kann Röntgenstrahlung bei häufiger Exposition Zellen schädigen und sogar krebserregend wirken. Das will eigentlich niemand wirklich. Das deutsche Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) lehnt den Einsatz von Röntgenstrahlung im Sicherheitsbereich sogar explizit ab. Deshalb fokussieren sich Scanneranbieter auf Strahlung im Frequenzbereich zwischen Mikrowellen und Infrarot. Obwohl genau genommen nicht ganz richtig, hat sich dafür der Begriff Terahertzstrahlung etabliert. Tatsächlich arbeiten die meisten Geräte mit Strahlung zwischen 100 und 300 Gigahertz (was 0,1 bis 0,3 Terahertz entspricht). Da der Energieeintrag in diesem Frequenzbereich sehr gering ist, besteht laut Experten kein Grund zur gesundheitlichen Sorge.

Nach der Gesundheit auch Rechte gefährdet

Einschlägige Untersuchungen dazu gibt es bislang nicht. Das BfS hat deshalb eine Studie bei der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt in Auftrag gegeben. Der langjährige Terahertz-Forscher Martin Koch von der Universität Marburg ist daran beteiligt. „Ich will das Ergebnis nicht vorwegnehmen“, sagt er, „aber wenn sich eine Gesundheitsgefährdung erweisen würde, wäre das eine echte Sensation.“

Doch noch umstrittener als eine mögliche Gesundheitsgefährdung beurteilen Kritiker die von Körperscannern ausgehende Verletzung der Persönlichkeitsrechte. Wer will sich schon nackt von Flughafenpersonal begutachten lassen? Auch Prothesen, künstliche Darmausgänge oder Intimschmuck möchte man nicht unbedingt Fremden offenbaren. Die Testscanner am Amsterdamer Flughafen arbeiten automatisiert. Ein Bildverarbeitungssystem gibt bei Verdacht auf gefährliche Gegenstände Alarm, dann erfolgt eine konventionelle Leibesvisitation. Doch das geht der grünen EU-Parlamentarierin Eva Lichtenberger noch nicht weit genug. „Die Bilder könnten ja trotzdem gespeichert werden.“ Sie fordert deshalb, dass auffällige Gegenstände über ein Körperschema, quasi die Zeichnung eines Menschen, gelegt werden. Das Originalbild müsste natürlich sofort gelöscht werden. „Technisch wäre das gar kein Problem“, sagt Lichtenberger. Das europäische Parlament hat bereits im Oktober 2008 einen Vorstoß der Kommission zur europaweiten Zulassung der Körperscanner abgeschmettert.

Die Angst vor dem Terror gibt scannerfreundlichen Regierungen wieder Aufwind. Vor allem Großbritannien und die USA – jene Länder also, in denen die Marktführer der Technologie beheimatet sind – drängen auf deren Einführung. Österreich hält sich vorerst zurück. Laut Rudolf Gollia, Sprecher des Innenministeriums, will man erst die Ergebnisse des Amsterdamer Probebetriebs abwarten. Und auch dann nur auf den Law-and-Order-Zug aufspringen, wenn alle Bedenken hinsichtlich Menschenrechte und Gesundheitsgefährdung ausgeräumt sind.

An einer Entwicklung, die beide Nachteile vermeidet, arbeiten Forscher des Instituts für Photonische Technologien (IPHT) in Jena. Sie stellten kürzlich den Prototyp einer Terahertzkamera vor, die ausschließlich die Eigenstrahlung des menschlichen Körpers im Bereich von 0,3 Terahertz detektiert.

Diskrete Bilder aus fünf Meter Entfernung

Bei diesem passiven Verfahren kommt keine künstliche Strahlungsquelle zum Einsatz. Auch von Nacktheit kann man nicht mehr sprechen. „Es handelt sich dabei im Prinzip um ein Wärmebild“, sagt Torsten May vom IPHT. „Man erkennt keine anatomischen Details.“

Die Kamera funktioniert ähnlich wie ein astronomisches Teleskop. Die Wärmestrahlung wird über zwei Spiegel auf einen hochpräzisen Sensor gelenkt, daraus dann das Bild erstellt. Zur Minimierung von thermischen Rauschen, einer unvermeidbaren Begleiterscheinung derartiger Messungen, ist der Detektor auf etwa 0,3 Grad über dem absoluten Nullpunkt abgekühlt. Um die Akzeptanz der Methode zu erhöhen, soll sie Passagiere aus fünf Meter Entfernung aufnehmen. „Es ist keine Kabine vorgesehen, in die man sich stellen muss“, so May.

Marktreif ist die Entwicklung derzeit noch nicht. Die Bilder müssen noch schärfer, die Auflösung höher und die Aufnahmen schneller werden. Auch eine integrierte Materialidentifikation ist angedacht. Aus den Strahlungsdaten sollen automatisiert Substanzen, insbesondere Sprengstoffe oder Chemikalien, identifizierbar werden.

Das hört sich nach einen passablen Kompromiss aus Sicherheit und minimaler Beeinträchtigung der Flugpassagiere an. Dennoch: Mit der grenzenlosen Freiheit über den Wolken, die Reinhard Mey einst besang, dürfte es endgültig vorbei sein.

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