Namensnennung des Opfers

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Der Fall Amstetten hat schon mehrmals die Mediengerichte beschäftigt. Bemerkenswert ist, dass die Auslegungsspielräume sehr oft zu Lasten der Opfer genutzt wurden. So wurden medienrechtliche Ansprüche der Tochter von Josef F. wegen der identifizierenden Berichterstattung über ihre Gefangenschaft, die Sexualkontakte und den Verlust eines neugeborenen Kindes vom OLG abgewiesen.

Sie müsste sich das Verhalten ihres Rechtsanwalts zurechnen lassen, der im ORF zum "Inzestfall F“ ihren Namen genannt und dadurch an der medialen Erörterung des "Jahrhundertverbrechens“ und dessen Folgen teilgenommen habe. Journalisten hätten deswegen davon ausgehen können, über den Verbrechenshergang und über die Tatfolgen unter Namensnennung des Opfers berichten zu dürfen.

Die Generalprokuratur erkannte in diesem Urteil eine Gesetzesverletzung und erhob eine Wahrungsbeschwerde. Der OGH folgte dieser Ansicht: Hier dürfe gerade nicht von einem Einverständnis des Opfers zur Namensnennung ausgegangen werden.

Aus dem Auftreten des Anwalts im ORF könne nämlich keinesfalls eine auch nur schlüssige Zustimmung abgeleitet werden. Aus seinem Appell, im Interesse der Opfer behutsamer zu berichten, um deren Privatsphäre zu wahren, sei vielmehr deutlich hervorgegangen, dass das Opfer keine identifizierende Berichterstattung wollte.

Das OLG Wien hatte auch gar keine Feststellungen über die Befugnisse des Rechtsanwalts, der erst nach dem ORF-Interview von den Opfern beauftragt wurde, im Zusammenhang mit medialen Kontakten getroffen. Bitterer Nachsatz: Der OGH hat damit zwar eine Rechtsverletzung festgestellt, das Opfer erhält aber trotzdem keine Entschädigung. Der OGH darf nach einer Wahrungsbeschwerde nämlich keine Entscheidung zu Lasten des Beschuldigten (also des Mediums) treffen.

* Die Autorin ist Medienanwältin und vertritt u. a. den "Standard“

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