Nationales Fastenopfer

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Treue Leser dieser Glosse erinnern sich vielleicht, dass ich vor Jahresfrist vom Kampf der amerikanischen Gesundheitsbehörden gegen den inneren Feind, den fettleibigen Amerikaner berichtete. David Cameron, der oberste Leiter dieser Behörde, hatte im nationalen Sicherheitsrat geklagt, dass die Zahl der Wuchteln unter den jungen Männern im besten Gefechtsalter so rapide zunehme, dass sich schon bald keine Armee mehr aus ihnen zusammenstellen lassen werde. Die Drohung, dass man mit Fettwänsten keine Kriege führen könne, hat ihre Wirkung nicht verfehlt. Landesweit wurde so patriotisch abgespeckt, dass selbst skeptische Gesundheitspolitiker wieder von der hohen militärischen Moral an der nationalen Ernährungsfront zu sprechen wagen.

Jeder Fortschritt, man weiß es, birgt aber auch seine Gefahren. Weil die New Yorker U-Bahnen im letzten Jahr so viele Verspätungen einfuhren wie noch nie, wurde eine Untersuchungskommission eingesetzt, die dem alltäglichen Desaster auf den Grund gehen sollte. Welche Geheimnisse aus den Eingeweiden der Stadt förderte sie zutage? Immer noch tragen Gleisarbeiten und Signalfehler das meiste dazu bei, dass der Fahrplan zuverlässig verfehlt wird. Aber als drittwichtigster Grund für die Verspätungen rangiert laut neuester Statistik bereits ein ganz anderes Gebrechen, und hätte nicht die seriöse Neue Zürcher Zeitung den Sachverhalt rapportiert, ich hätte die Meldung nie und nimmer geglaubt: Im U-Bahngelände und in den Waggons selber brechen neuerdings so viele Menschen wegen Fastenkuren zusammen, dass fortwährend irgendwo ein ohnmächtiger Fahrgast weggetragen werden muss. Merke: Mit Leuten, die in den Krieg gegen ihren eigenen Körper geschickt wurden, kann man ja vielleicht noch eine Armee zusammenstellen, aber jedenfalls nicht mehr den Verkehr einer Großstadt aufrecht erhalten.

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