Nein zu Spektakel, Virtuosität und Täuschungen

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Die Ikone des postmodernen Tanzes, Yvonne Rainer, liefert in Bregenz den Beweis, dass sie nach wie vor in höchster künstlerischer Qualität auf der Höhe der Zeit arbeitet.

Den Auftakt zur Ausstellung "Raum, Körper, Sprache“ machte die Aufführung zweier Tanzarbeiten, "Spiraling Down“ von 2008 und "Assisted Living: Good Sports 2“ von 2011 im Vorarlberger Landestheater. Die ungeheuer dichten Choreograf ien ließen nicht nur die anwesende Vorarlberger Tanzszene jubeln. In "Spiraling Down“ liest Yvonne Rainer selbst aus dem Off einen Text von einem jungen männlichen Schriftsteller, der psychologisch exakt über seine Hobbykarriere als Jogger reflektiert. Das Joggen in diesem Hochkultur-Zusammenhang ist eines jener Zitate aus der Alltagswelt, die Yvonne Rainer gemäß einer Maxime der Popart aus der Gewöhnlichkeit entlehnt und sie weltberühmt gemacht hat. In einem selbstvergessenen Sprudel von Pointen kommt auch der Satz, dass der Jogger im Alter von 33 Jahren zu laufen begann - und dazu der lapidare Satz: "So alt war Jesus, als er starb.“ Ein unvergleichlicher Vergleich dafür, dass die gesamte westliche Kultur in gewisser Weise in ihrer reifen Jugend irgendwie begonnen hat, vor den Heilsgewissheiten von Tod und Auferstehung Jesu Christi wegzulaufen.

Noch nie gezeigte Fotos

Im Kunsthaus selbst sind die fünfzig Jahre Arbeit der in New York wirkenden Tänzerin und Filmerin Yvonne Rainer über drei Etagen zu sehen. Den ersten Stock trennt ein Vorhang in zwei Kinosäle, wo auch jene Arbeit präsent ist, die auf der documenta 2007 aufgeführt worden ist. Im zweiten Stockwerk wird das Archiv des Getty Research Instituts in Los Angeles geöffnet. Hier finden sich viele historische Fotos, die noch nie der Öffentlichkeit gezeigt worden sind. Desgleichen Original-Notizbücher bis hin zu einer Partitur von John Cage. Ein Foto zeigt Yvonne Rainer 1966 gemeinsam mit Andy Warhol und Barbara Rose im Studio von Frank Stellas. In der Mystik des tiefen Blickes stehen die jungen Helden der Popart da bei einem Drink zusammen. So wie Andy Warhol Massenprodukte wie etwa die berühmte Suppendose zum Kunstwerk erklärte, genauso hat Yvonne Rainer alltägliche Bewegungen in den theatralischen Tanz überführt und damit Generationen von Tanzcompanys maßgeblich und stilbildend beeinflusst. Außerdem sind zehn selten gezeigte Dokumentationsfilme von Performances der früheren Jahre zu sehen, da ist sogar der Film einer Tanzaufführung in der Aula der Staatlichen Kunstakademie in Düsseldorf von Yvonne Rainer mit Robert Morris vom 24. Oktober 1964 vertreten, von dessen Existenz die Grande Dame des Modernen Tanzes selbst nichts gewusst hat.

Absolut spektakulär ist die Aufführung "Trio A With Flags“. Spektakulär, obwohl Rainer in ihrem berühmten No-Manifest allem Spektakel eine klare Absage erteilte, wenn Sie schrieb: "NEIN zu spektakel nein zur virtuosität, nein zu transformationen magie und täuschungen“. Jene "Trio A With Flags“-Tanzinszenierung zeigt Yvonne Rainer und ihre Tanzcompany nackt tanzend, nur mit der US-Flagge wie einer Schürze bekleidet, wie sie gegen Unterdrückung und Zensur im damaligen Amerika der 60er-Jahre protestiert.

Raum für wahre Transzendenz

Im dritten Stock sind dann sieben Spielfilme zu begutachten, die Rainer von 1972 bis 1996 gedreht hat. Während sieben kleinere Flatscreens mit Hockern und Kopfhörern bereitstehen, ist in der Mitte des Museumsraums ein White Cube aufgestellt, in dem wie auf einer Kinoleinwand an jedem Tag ein anderer der sieben Filme großformatig gezeigt wird. Einer dieser sieben Filme heißt "Lives of Performers“ und beinhaltet den Kampf zweier Frauen um einen Mann. Dabei verquickt sich selbst Erfahrenes mit Fiktion und vorgegebene Tanzschritte verschmelzen mit der Inszenierung eines Spielfilms zu einem Kunstwerk, das gleichzeitig wahrhaftig und ästhetisch vollkommen ist.

In ihrem No-Manifest heißt es auch: "nein zu glamour und transzendenz des star-images“. Natürlich liegt in dieser Aussage eine implizite Negation jeder Transzendenz, und doch könnte sie so gelesen werden, dass jenseits der Vergötterung der Stars, der goldenen Kälber Marke Hollywood, wieder Raum frei wird für die wahre Transzendenz, für jenen Gott der jüdisch-christlichen Tradition, der immer größer ist als alle menschlichen Vorstellungen.

Yvonne Rainer - Raum, Körper, Sprache

Kunsthaus Bregenz

bis 9. April, Di-So 10-18, Do bis 21 Uhr

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