Netzwerker und Kommunikator

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Peter Glotz war nicht nur ein prägender SPD-Politiker in Deutschland, sondern hinterließ auch als Kommunikationswissenschafter nachhaltig Spuren in der Politik.

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Peter Glotz war nicht nur ein prägender SPD-Politiker in Deutschland, sondern hinterließ auch als Kommunikationswissenschafter nachhaltig Spuren in der Politik.

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Neben der Demoskopin Elisabeth Noelle-Neumann, die der CDU nahestand, ist er wohl der einzige Kommunikationswissenschaftler im deutschen Sprachraum, der in der Politik nachhaltig Spuren hinterlassen hat. Bevor er sich in die Schweiz zurückzog, hatte der Sozialdemokrat, wie Noelle in Mainz, eines der einflussreichsten kommunikationswissenschaftlichen Institute gegründet, allerdings erst nach dem Mauerfall im Osten der Bundesrepublik, als Rektor der Universität Erfurt.

Die Zeit nannte ihn ein "Kommunikationsgenie". Er selbst schrieb gegen den "Hochmut von Politikern, Publizisten und Intellektuellen, gegen ihr bloß strategisches Kommunikationsverhalten" an - angesichts der Pegida-Demonstrationen in Deutschland eine Einschätzung von tagesaktueller Relevanz. Aberauchseinemeigenen Fach stand er kritisch gegenüber.

Es wird zuviel "geförschelt"

Es würde zuviel "geförschelt" und zu wenig geistreich geforscht. Er habe bei seinen Fachkollegen "die Fähigkeit zur Vogelperspektive, die Lust an der Synthese" vermisst, so sein Weggefährte Wolfgang R. Langenbucher, der zuletzt Publizistik an der Universität Wien lehrte.

Die Rede ist von Peter Glotz, der u. a. in Berlin als Wissenschaftssenator und in Bonn als Bundesgeschäftsführer der SPD im Einsatz war - das geistig bewegliche, intellektuelle Aushängeschild einer Partei, zu deren DNA es über Jahrzehnte zu gehören schien, dass sich rechte Betonklötze und linke Spinner gegenseitig bekriegten.

Langenbucher hat jetzt mit einem weiteren Münchner Kollegen, dem Zeitungswissenschaftler Hans Wagner, zusammengewirkt und die weit verstreuten Beiträge von Glotz zur Kommunikations-, Medien- und Kulturpolitik posthum in einem gewichtigen Buch vereint. Der Münchner Medienforscher Michael Meyen steuerte dazu eine brillante Einführung bei, in der er Glotz' spätere Berufung an die Universität St. Gallen "als Ausdruck der Medialisierung des Wissenschaftsbetriebs" wertet. Was in etwa heißt, dass auch Universitäten immer mehr auf Wissenschafter angewiesen sind, die nicht nur interessante Forschung machen, sondern auch in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden.

Was die Publikation nicht "enthüllt": Bevor Peter Glotz nach Erfurt und später nach St. Gallen ging, gab es einen Versuch, ihn nach Berlin zurückzuholen - an die Freie Universität auf die wohl erste Professur für Medienmanagement in Deutschland. Er war dazu bereit, aber dies wurde von seinem konservativen Nachfolger als Wissenschaftssenator, George Turner, abgeblockt. So hat er zu guter Letzt seine Strahlkraft nicht in der neuen, alten deutschen Hauptstadt, sondern in der Schweiz entfaltet und von dort aus der Medien-, Kultur- und Hochschulpolitik immer wieder Impulse gegeben.

Europas Kommunikationsräume

Auch mit der Europa-Politik setzte er sich auseinander. Einer seiner Diskussionsbeiträge zu den Kommunikationsdefiziten der EU, der auf 1993 zurückdatiert, liest sich im Blick auf die Griechenland-Wahl und die Art und Weise, wie im Süden großzügige Kredite zu angeblichen Spardiktaten umdefiniert werden, fast prophetisch: Es gebe eine "Abstoßungskraft der unterschiedlichen Kommunikationsräume" in Europa. Um demokratisch funktionieren zu können, benötige die EU "eine funktionierende Kommunikationsinfrastruktur und darüber hinaus ein Minimum gemeinsamer Werte, Standards und Erfahrungen".

Der Autor ist Medienwissenschafter an der Uni Lugano/CH

Das Gespräch ist die Seele der Demokratie. Beiträge zur Kommunikations-, Medien- und Kulturpolitik

Von Peter Glotz

Nomos 2014. 495 Seiten, kt. € 81,30

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