Neubelebte Öko-Wüsten

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Wo früher Tag und Nacht die Bagger ratterten und Braunkohlekraftwerke die Luft verpesteten, entsteht nun eine künstliche Seenlandschaft. Im Süden von Leipzig wird in einem gigantischem Sanierungsprojekt eine ganze Region umgestaltet.

Das eiserne Ungetüm ragt mit seinem stählernen Arm weit hinaus in eine trostlose Mondlandschaft. 20 Meter unter dem schwarzen Greiferarm erstrecken sich wie in einem Canyon die Reihen von graubrauner Erde, und zwischen den Materialhaufen blitzen Wasserflächen herauf.

Der riesige Krater von fünf Kilometer Durchmesser ist das Ergebnis von jahrzehntelangem Braukohlentagbau, und das stählerne Ungetüm, die Förderbrücke von Zwenkau, war einst das Herz der Anlage. An ihrer Spitze fraß sich ein Laufbandbagger wie ein gigantischer Maulwurf durch die Landschaft. Schnell musste diese Arbeit gehen, daher wurden die am Band befestigten Baggerschaufeln immer größer. Am Ende fassten sie 1.500 Kilogramm. Seit 1998 steht das Ungeheuer still. Im November 2001 hat man mit der Demontage begonnen.

Die Region im Süden von Leipzig war einst einer der großen Bergbaustandorte der DDR. Mit der im Tagebau geförderten Kohle wurden die wegen ihrer Umweltschädlichkeit berüchtigten Wärmekraftwerke betrieben. Die Emissionen der Braunkohlekraftwerke waren der Grund für die berüchtigt schlechte Luft rund um Leipzig.

Dem immer größeren Braunkohlebedarf wurden ganze Ortschaften geopfert. Mitte der achtziger Jahre kursierte in der Stadt sogar das Gerücht, dass Leipzig vom südlichen Stadtrand her der Braunkohle weichen müsste. Bevor es jedoch so weit kam, wurden nach Verschmelzung von Bundesrepublik und DDR die Braunkohlenkraftwerke im Osten der Reihe nach stillgelegt.

"Die Energiekonzerne der Bundesrepublik standen schon bereit mit ihren Kapazitäten. Unsere Braunkohlenkraftwerke waren jetzt überflüssig. Auch aus ökologischen Gründen mussten die Dreckschleudern weg", erläutert Eberhard Zeh, Geophysiker bei der Lausitzer und Mitteldeutschen Bergbauverwaltung (LMBV). Dieses staatliche Unternehmen wickelt nun den "Sanierungsbergbau" in den aufgelassenen Braunkohletagewerken ab.

Die Braunkohlenbergbau hatte gewaltige ökologische Probleme hinterlassen, die nun zu lösen waren. Dazu gehörten nicht nur die Ablagerungen in den kontaminierten Böden. Da waren noch die verödeten Landschaften und Tausende Tonnen Schrott. Ein weiteres Folgeproblem des Braunkohlenbergbaus war der veränderte Grundwasserhaushalt in der Region. Für jede geförderte Tonne Kohle mussten nämlich bis zu sechs Tonnen Grundwasser abgepumpt und in die Flüsse umgeleitet werden, was zu einem Absinken des Grundwasserspiegels um mehrere Meter führte.

Große Öko-Probleme

Nach dem Ende des Abbaus und dem Abstellen der Pumpen begann der Grundwasserspiegel wieder zu steigen. Gerade das ist aber gefährlich, weil sich das lockere Material in den Kippen wieder in Bewegung setzen kann, wenn das Gemisch aus Sand und Wasser seine Festigkeit verliert. Die Böschungen in den sogenannten Restlöchern waren also sehr gefährdet, ohne Vorwarnung in Minutenschnelle wegzurutschen. Daher war die erste Aufgabe bei der Sanierung die Stabilisierung der Böschungen. Das wurde mit großen Rüttelmaschinen erreicht.

Laut Bergrecht ist der Bergbaubetrieb zur Rekultivierung des Geländes verpflichtet. Hier rückte das Grundwasser neuerlich in den Mittelpunkt. Um das zu erreichen sollte der Grundwasserspiegel angehoben und der Grundwasserhaushalt auf lange Sicht wieder normalisiert werden. Das Ziel war eine künstliche Seenlandschaft im Süden von Leipzig.

Offen war die Frage, woher das Wasser der zu schaffenden Gewässer kommen sollte. Eine Flutung mit dem natürlichen Anstieg des Grundwassers hätte zu lange gedauert - meist mehrere Jahrzehnte. Außerdem ist das Wasser aus dem Untergrund der Tagbauwerke stark sauer. Daher entschied man sich für einen anderen Weg. Aus den noch in Betrieb befindlichen zwei Braunkohletagebauwerken der Region wird das abgepumpte Wasser mit einer gewaltigen Ringleitung mit einem Durchmesser von 80 Zentimeter in die bestehenden Tagbaulöcher gepumpt. Zusätzlich verwendet man noch Wasser aus einem Flüsschen in der Nähe von Leipzig, der Weißen Elster.

"Durch die Vermengung entsteht eine gute Wasserqualität. Wir haben das anhand von Untersuchungen genau festgestellt. Es sind keine Schwermetalle im Wasser, und der Ph-Wert - er gibt die Säuresättigung des Wassers an - hat sich normalisiert", erläutert Wasserfachmann Eberhard Zeh.

Gleich in der Nähe der LMBV Niederlassung Espenhain kann der Besucher die ersten Ergebnisse besichtigen. In der ehemaligen Grube Witznitz fallen die Böschungen sanft ab. Die braunen Flächen zeigen bereits grüne Spuren; auch Sträucher sind nun eingepflanzt, und ganz unten glitzert blau das Wasser. Die Flutung ist mitten im Gang. In einigen Jahren wird der Wasserspiegel bis zum Sträuchergürtel gestiegen sein.

"Hier wurde versucht, die Fehler früherer Sanierungsprojekten zu vermeiden. Man hat beispielsweise jetzt darauf geachtet, dass die Böschungen nicht an allen Seiten im selben Winkel abfallen", erläutert der Biologe Harald Krug von der nahegelegenen Ökologischen Station Birkenhain, der den Pflanzenbewuchs und die Renaturierung an der Kohlengrube überwacht.

Krug setzt sich mit Gesinnungsfreunden dafür ein, dass ein möglichst großer Anteil der Sanierungsgebiete an die Natur zurückgegeben wird. Zusätzlich zur gewerblichen oder touristischen Nutzung sollen Rückzugsgebiete für bedrohte Pflanzen- und Tierarten entstehen. Dabei waren die Naturschützer ziemlich erfolgreich: 67 Quadratkilometer wurden im Südraum Leipzig als Vorrangflächen für Natur und Landschaft ausgewiesen. Wesentlich sei aber die klare Trennung von Naturschutzgebieten und anderer Nutzung.

Sein Negativbeispiel dafür ist der Cospudener See direkt im Süden von Leipzig, ein künstlicher See mit einer Größe von 418 Hektar. Mit Mitteln aus der Expo 2000 wurde er im vergangenen Jahr zu einem Naherholungsgebiet mit allem Drum und Dran für die Leipziger aufgerüstet. Blaues Wasser, Strand, Bootsrundfahrten, Buffethütten, alles was zu einem See gehört, ist da. Sogar die Schwäne fehlen nicht. "Das ist die Badewanne Leipzigs geworden", meint Ökologe Krug verächtlich zu den Verkaufsbuden und Freizeitzentrum, die sich am See breit gemacht haben.

Erholungssuchende aus Leipzig sind da anderer Ansicht. So der Pensionist, der gerne mit dem Rad herkommt und den See umrundet. "Wer weiß, wie es hier früher aussah, wird mit dem Geschaffenen zufrieden sein", freut sich der Ausflügler über das neue Erholungsgebiet der Leipziger.

Über die verloren gegangenen Arbeitsplätze im Bergbau ist er zwar bekümmert, aber insgesamt beurteilt er das Geschaffene positiv. "Hier wurden auch Arbeitsplätze geschaffen: Segellehrer, Köche, Bademeister." Ein positives Urteil kommt auch von der EU-Kommission. Die erteilt der Badewasserqualität des Cospudener Sees das Prädikat "Sehr gut". Das Wasser sei sogar besser, als es die EU-Richtlinie vorsieht.

Ein Event Park

Trotz dieser Anerkennung ist auch den Optimisten klar, dass die erforderlichen Gelder für den Ausbau der anderen Seen nicht so leicht aufzutreiben sein werden. Was mit den Mitteln der Expo möglich war, könne man nicht einfach auf andere Seen übertragen. Trotzdem existieren für sie bereits jede Menge Konzepte für die Folgenutzung. So ist geplant, in einem der Seen eine Ruderregattastrecke einzurichten. Die soll dann bei den Olympischen Spielen 2012, für die sich Leipzig eventuell bewirbt, verwendet werden.

Im vergangenen August fand die Grundsteinlegung für einen 25 Hektar großen Event Park statt, der zwischen Cospudener See und Zwenkauer See entsteht. Als Attraktionen werden den Gästen nach der Fertigstellung eine Wasserbahn um eine 30 Meter hohe Pyramide und eine Minen-Bahn im Stil des Wilden Westens geboten. Aber auch die Geschichte soll mit Exponaten des Bergbaus und einer Multimediaschau verdeutlicht werden. Die erste Ausbaustufe soll April 2002 eröffnet werden. Erwartet wird im ersten Jahr eine halbe Million Besucher, die vor allem aus dem eineinhalb Autostunden entfernten Berlin herbeigelockt werden sollen.

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