Astrid Lindgren - © Foto: EPA

Neue Biografie: "Astrid Lindgren. Ihr Leben"

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Auch knapp 14 Jahre nach Astrid Lindgrens Tod ist ihr Erfolg ungebrochen. Eine neue Biografie erschien im Herbst, in Wien wird am Theater der Jugend der Krimi "Kalle Blomquist lebt gefährlich" aufgeführt.

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Auch knapp 14 Jahre nach Astrid Lindgrens Tod ist ihr Erfolg ungebrochen. Eine neue Biografie erschien im Herbst, in Wien wird am Theater der Jugend der Krimi "Kalle Blomquist lebt gefährlich" aufgeführt.

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Die Schöpferin der weltbekannten Pippi Langstrumpf konnte auf ein langes und schriftstellerisch reiches Leben zurückblicken, als sie im Jahr 1997 mit der Auszeichnung "Schwedin des Jahres" bedacht wurde. Sie selbst meinte dazu: "Ihr verleiht den Preis an eine Person, die uralt, halb blind, halb taub und total verrückt ist. Wir müssen aufpassen, dass sich das nicht rumspricht."

Auch dieses Diktum findet Eingang in die Biografie "Astrid Lindgren. Ihr Leben", die der preisgekrönte dänische Autor Jens Andersen verfasst hat. Auf über 400 Seiten setzt er sich mit der Erfolgsautorin und deren Umfeld auseinander. Sie selbst war der Meinung, dass die Formung des Menschen in den ersten Lebensjahren erfolgt und später keine Möglichkeit mehr besteht, um nachzuholen, was verabsäumt wurde. Die unbedingte Zuneigung zumindest einer Bezugsperson sowie das Freiraum bietende Leben auf dem Land gehörten zu ihrem Credo der Kindererziehung - wenig verwunderlich, betrachtet man die Titel der Autorin. In späteren Jahren setzte sie sich nicht nur für hilfesuchende Menschen, sondern auch für den Umweltund Tierschutz ein. Interessant wäre ihre Position in der aktuellen Flüchtlingsdiskussion, wo sie bestimmt mit pointierten Aussagen und ebensolchen Taten reagiert hätte.

"Ich schreibe für mich"

Einblick in das Astrid-Lindgren-Archiv in der Königlichen Bibliothek von Stockholm, die Unterstützung durch Lindgrens Tochter Karin Nyman und ihrer Bibliografin Lena Törnqvist ermöglichten dem Biografen Jens Andersen ein umfassend gezeichnetes Bild der spätberufenen Autorin, das sowohl Selbstzweifel, als auch Überlegungen zu einem sinnvollen, glücklichen Leben beinhaltet. Auf die Pädagogik in ihren Büchern angesprochen, antwortete Lindgren einer schwedischen Wochenzeitung im Jahr 1955: "Ich wollte Kindern nie etwas beibringen. Ich schreibe für mich."

Dass sie mit ihrer Figur des Kalle Blomquist einen zehnjährigen Protagonisten in die Welt der renommierten Detektivcharaktere gehoben hat, gilt als unbestritten. In Wien nimmt sich das Theater der Jugend des zweiten Teils der "Kalle-Romane" an und zeigt im Renaissance-Theater "Kalle Blomquist lebt gefährlich". Gerald Maria Bauer hat den Roman dramatisiert und zeichnet mit großem Feingefühl auch für die Regie verantwortlich. In seiner Inszenierung wird einer Vorlage, die in ihrem Vokabular heute unzeitgemäß und teilweise bedenklich erscheint - und diese Diskussion betrifft viele Kinderbücher -, der allergrößte Teil der Sprödheit genommen.

Im einfallsreichen Bühnenbild von Sam Madwar tobt der "Krieg der Rosen", der durch den Kriminalfall abrupt gestoppt wird. Sowohl Bühne wie auch Inszenierung sind ideal auf den Stoff abgestimmt: Bereits in der den Abend eröffnenden Videoinstallation (eine Mischung aus Animation und dem real agierenden Kalle, die auf seine bislang bestandenen Abenteuer verweist), wie auch mittels Einsatz von Dreh-und Unterbühne wird die heile Kinderwelt des verschlafenen, schwedischen Nests gebrochen, in dem ja ohnehin "seit 700 Jahren" nie etwas passiert - außer die von Kalle Blomquist zu lösenden Fälle. Gerald Maria Bauers Regie versteht es, einen "kindgerechten" Krimi zu schaffen, immerhin beginnt die Zielgruppe für diese Produktion beim sechsten Lebensjahr. Bauer stülpt nicht den Blick der Erwachsenen über den der Kinder, im Gegenteil: Nur aufgrund der Beobachtungsgabe und ungetrübten Neugier der Kleinen kann der Fall gelöst werden.

Kinderliteratur und Feminismus

In Kombination mit einer starken Ensembleleistung fiebert nicht nur das junge Publikum mit. Bauer bringt eine kluge und unterhaltsam-kurzweilige Produktion, die altersunabhängig überzeugt.

Neben den jungen Helden erweist sich Hund Beppo (Figurenbau: Julia-Elisabeth Beyer) als Publikumsliebling, der entgegen dem heutigen Wissensstand mit Schokolade ruhig gestellt wird - und dabei hart an einem schlimmen Schicksal vorbeischrammt.

"Ich fühle mich so alt. Beinahe wie fünfzehn", sagt Eva-Lotta Lisander, dargestellt von Tanja Raunig, die auch hier zeigt, warum sie heuer zu Recht für den Nestroy-Preis nominiert war: Sie steht der Power der männlichen Bandenmitglieder in nichts nach. Zugleich erzählt sie von der Verletztheit der unbedarften Kinderseele, als sie die einzige Zeugin eines Mordfalls wird. Was es bedeutet, wenn aus Spiel Wirklichkeit wird, löst Bauer sowohl ästhetisch als auch pädagogisch raffiniert. Dass sich am Ende alles in Wohlgefallen auflöst und der Bösewicht hinter Schloss und Riegel kommt, versteht sich von selbst.

"Zwischen fünfzehn und fünfundzwanzig schafft man es, ungefähr vier verschiedene Leben zu führen," resümiert Lindgren ihre eigene Jugend und ihr Leben, in dem sie wie ihre kleinen Helden (und vor allem: Heldinnen) Stärke und Unabhängigkeit bewies. Das Instrument der Literatur, einer Kinderliteratur völlig neuer Dimension, hat sie dazu genutzt und nicht zuletzt auch maßgeblich zur Unterstützung des Feminismus beigetragen.

Dieser Beitrag erschien unter dem Titel "Dauerbrenner Astrid Lindgren".

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