Neue Frauen - alte Werte?

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Die jungen Frauen heute sind ganz anders. Interessant. Aber wie anders? Die jungen Frauen heute haben ganz andere Sorgen. Wirklich? Und die Frauenbewegung? Sie stammt aus einer anderen Ära, zahnlos wie die Gewerkschaft, einstmals bevölkert von energischen Kämpferinnen gegen sexuelle Ausbeutung, denen nicht der Sinn stand nach Push-up-BHs und High-heels. So weit die Klischees. Aber: Wo es Ungerechtigkeiten gibt, gibt es früher oder später immer auch Rebellionen. Die Frauen waren an der Spitze einer der wichtigsten sozialen Bewegungen des 20. Jahrhunderts: für Gleichheit und Gerechtigkeit im Parlament, Betrieb und Bett sind sie mit Esprit, Elan und oft unorthodoxen Mitteln angetreten. Feministinnen waren Frauen, die unbekümmert ihren Weg gingen, durch Abschreckungsversuche jeder Art nicht aufzuhalten. Die Tyrannen wurden attackiert: das Kapital, das Profit aus ungleicher Bezahlung für gleiche Arbeit erzielte, und das Patriarchat, das durch ein Gewebe von Privileg und Diskriminierung eine Schieflage in der Beziehungs- und Lebensgestaltung von Männern und Frauen garantierte.

Großbaustelle Gerechtigkeit

Eine Armada von Professionistinnen ist zur Gesamtsanierung der Großbaustelle Geschlechtergerechtigkeit angetreten.

Feministinnen waren die Watch-dogs der frühen Siebzigerjahre. Aber wenn wir die Lebenswege junger Frauen studieren, haben sie einiges mit ihrer Müttergeneration gemeinsam: Sie leisten viel, sie haben noch mehr vor, aber ihr Weg ist ein Hindernislauf und die Hindernisse bestehen nach wie vor aus einer komplexen Mischung von Konventionen, Vorurteilen und Selbstsabotage.

Aber die Welt hat sich ebenso rasant verändert wie das Selbstverständnis der Frauen sowie das Innen- und Außenverhältnis von Männern und Frauen. Die Supermacht Mann ist kollabiert, die Armada der Männer in Nadelstreif, die das Weltwirtschaftsschiff lenkten, ist an ihren eigenen Defiziten gescheitert: an ihrem Mangel an Realitätssinn und Gespür für Balance, an ihrer persönlichen Gier und ihrem ungebremsten Machtrausch, gescheitert an ihrer Männlichkeit. Der Kolumnist der New York Times, Horst Kristof, beschreibt die Wall Street als die Männerbastion schlechthin, die Vorstandsmeetings würden sich ungefähr so zusammensetzen wie das Wartezimmer eines Urologen. Abgesehen vom Prinzip der Fairness war das Ergebnis von letztklassigen Entscheidungen geprägt. Das Journal for Evolution and Human Behavior publizierte eine Studie, die belegen konnte, dass Männer bei finanziellen Entscheidungen unter Druck zu hohem Risikoverhalten tendieren, wenn sie von anderen Männern ihrer Statusgruppe umgeben sind. Worauf warten die jungen, gebildeten und ambitionierten Frauen also noch? Wir leben in einer riskanten Zeit, die zu knapp ist, um zu ventilieren, ob wir uns mit dem Etikett Feminismus wohlfühlen oder nicht. Es ist die Zeit des Handelns - und Frauen können es, wenn sie wollen.

Die Autorin ist Gründerin des Netzwerkes Frauen ohne Grenzen

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