Neuer Fall Wachowski-Religion

19451960198020002020

"Jupiter Ascending": Einmal mehr spielt das neue Film-Epos der Geschwister Wachowski technisch alle Stückeln. Und liefert einmal mehr eine Heilsgeschichte pur.

19451960198020002020

"Jupiter Ascending": Einmal mehr spielt das neue Film-Epos der Geschwister Wachowski technisch alle Stückeln. Und liefert einmal mehr eine Heilsgeschichte pur.

Werbung
Werbung
Werbung

Drei Dinge bleiben von den Filmen der Wachowskis nachhaltig im Gedächtnis: Erstens die technische Innovation: Man erinnert sich etwa an die Bullet-Time-Technik in der "Matrix"-Trilogie, die eine Kamerafahrt um ein in der Zeit stillstehendes Objekt (etwa eine Pistolenkugel) ermöglichte. Als zweites Charakteristikum mag die mitunter rasende Abfolge unterschiedlicher Wahrnehmungs- und Wirklichkeitsebenen gelten, auch sie prototypisch in "Matrix", wo der Protagonist zwischen einer computergenerierten Simulation und echtem Leben hinund herpendelt. Das ultimative "Wachowski"-Moment ist aber die Erlösungsfantasie, denn Technik und Wirklichkeitsebenen sind nur das Vehikel, um filmische Endzeitahnung und Heilsvergewisserung, also die Wachowski-Religion in die Köpfe des Publikums zu pflanzen.

Logik von "Matrix" fortgesetzt

Man kann diese Matrix nicht nur an der gleichnamigen Film-Trilogie der Wachowskis exemplifizieren. Auch "Jupiter Ascending!" ihr neues bildgewaltiges Epos, folgt 15 Jahre später derselben Logik - und spielt technisch alle Stückeln. Nicht nur, dass sich die Wachowski der 3D-Technik bemächtigt haben. Sie durchmessen, wenn schon nicht Galaxien, so zumindest das Planetensystem und wandeln zwischen Chicago, Jupiter und Saturn nur so hin und her. Einer der Helden dieser Saga hat dann auch Antigravitationsstiefel an: das alles wurde mit realem Schauspieler bzw. Stuntman gedreht und nicht am Computer erfunden. Die ultimative Technik-Innovation dabei nennt sich "Panocam" und besteht aus sechs Kameras, die, an einem Hubschrauber montiert, das Geschehen über einen Winkel von 180 Grad einfangen können.

Auch Punkt zwei bleiben die Wachowskis treu: Einerseits ist da die bitterarme russische Immigrantenfamilie in Chicago, aus der sich eine Heilsgestalt in einen kosmischen Krieg emporschwingt und mit solcher Rasanz Entfernungen und Bewusstseinsebenen durchmischt, dass erst recht unklar bleibt, ob es sich um einen Traum handelt, oder ob das Heilswerk nicht doch weit mehr darstellt.

Und drittens werden religiöse Versatzstücke neuerlich ausgereizt: Gut und Böse sind zwar nicht immer sofort identifizierbar, sie ringen aber so spektakulär miteinander, dass jedes beispielsweise biblische Vorbild nur zum Abklatsch wird. In den kosmischen Kampf und den großen Weltenschmerz schummelt sich zwar auch Kleinbürgerliches: Als Jupiter, die Heilsgestalt, in allen Fasern der Existenz bedroht ist, sorgt sie sich um ihre Familie, die in den Fängen der Bösen ist - für Mami ist sie bereit, alles zu geben. Auch sich selber.

Eine drückende Heilsgeschichte

Jupiter (Mila Kunis), die Aufgehende (so bekanntlich eine Übersetzung von "Ascending"), ist ein Aschenbrödel, eine Kloputzfrau, die zu höherem berufen scheint, und der zwei böse Prinzen (Douglas Booth, Eddie Redmayne) ans Leder wollen. Aber Gottseidank gibt es den Helden Caine mit den Antischwerkraftschuhen (Channing Tatum), der die Heilsbringerin, die ja dem schwachen Geschlecht angehört, mit seinen starken Armen schützen, retten und lieben kann.

SciFi-Schwulst, kaum überbietbar. Technische Finessen zuhauf. Eine Heilsgeschichte, die einen tief in den Kinosessel drückt.

Und die Musik: Die stammt von Michael Giacchino und ist großartig. Allein wegen dieser Musik ist "Jupiter Ascending" wert, gesehen zu werden. Giacchino erzählte im Interview, dass die Musik aufgenommen wurde, bevor noch die erste Klappe gefallen war. Das spricht für sich: Auch dieser Film konnte solcher Musik nichts anhaben.

Jupiter Ascending

USA 2015. Regie: Andy & Lana Wachowski. Mit Mila Kunis, Channing Tatum, Sean Bean, Douglas Booth, Eddy Redmayne. Warner. 127 Min.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung