Neuer Mythos Kostunica

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Vojislav Kostunica hatte die Wahlen in Jugoslawien schon gewonnen, lange bevor sie stattfanden. Aber nicht die demonstrative Unterstützung des Westens, seine Beliebtheit im Volk, seine Distanz zu Slobodan Milosevi'c sind Kostunicas Trümpfe. Das Wichtigste ist, Kostunica besitzt noch etwas, was in Serbien sehr viel zählt: Der Mythos ist auf seiner Seite.

Und dass in Serbien der Mythos Gewicht hat, das haben im letzten Jahrzehnt die Kriege und Vertreibungen um der Mythen willen oder besser: von den Mythen gerechtfertigt - sei es Amselfeld oder Titos Partisanenkrieg - gezeigt. Und Kostunica? Alle Welt hat sich doch darauf geeinigt, ihn als "gemäßigten Nationalisten" zu bezeichnen und als halbwegs demokratische Alternative zu Milosevi'c zu akzeptieren. Welcher Mythos kann ihm nützen?

Im Volk sei die Erinnerung an den Propheten Karabi'c erwacht, war zu lesen, einen serbischen Nostradamus des 19. Jahrhunderts. Unter anderem prophezeite er, Serbiens Erretter werde ein Mann sein, dessen Nachname derselbe wie der Name seines Geburtsortes ist. Und Kostunica stammt aus dem Ort Kostunici.

Glück gehabt! Bleibt die Frage, ob es Kostunica gelingt, seinen Mythos so für sich zu nützen, wie es Milosevi'c und den anderen Kriegstreibern mit den für sie günstigen Mythen gelungen ist? In der Vergangenheit hat Kostunica sich eher zurückgehalten und den anderen Oppositionellen die Straße überlassen. Er setzte auf Zeit, und es schien, als wolle er das Regime lieber aussitzen, denn wegjagen. Nach seinem Erfolg bei den Wahlen kann er sich jedoch nicht mehr zurückziehen. Zwei Alternativen stehen ihm offen: Entweder Kostunica mobilisiert die Straße und setzt auf eine offene Konfrontation mit dem Regime, oder aber er arrangiert sich mit Milosevi'c.

Dieser könnte Kostunica auch das Präsidentenamt überlassen und die Schaltstelle der Macht auf die Republik Serbien verlagern, wo nach wie vor seine Getreuen sitzen. Was macht Kostunica dann als Präsident Jugoslawiens, in einem repräsentativen Amt, mit wenig Macht? Eines zeichnet sich jedenfalls ab: Die schnelle Wende in Serbien wird es wieder nicht geben. Auch nicht wenn Milosevi'c morgen weg wäre. Das ist nämlich auch ein Mythos.

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