Neues aus den Biotech-Labors

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Sogenannte Biosimilars versprechen dieselbe therapeutische Wirkung wie teure biopharmazeutische Medikamente, sind aber deutlich billiger. Die Pharmaindustrie wittert ein gutes Geschäft. Der weltweite Umsatz an Biopharmazeutika beträgt 71 Milliarden Euro # etwas mehr als ein Zehntel des gesamten Umsatzes.

Mit zunehmendem Verständnis der Abläufe im Inneren von Zellen und dem Fortschritt der darauf basierenden weißen Biotechnologie kam vor fast 30 Jahren erstmals eine neue Gruppe von Medikamenten auf den Markt, die sogenannten Biopharmazeutika. Diese werden nicht wie herkömmliche Arzneimittel chemisch synthetisiert, sondern von gentechnisch modifizierten Organismen in Bioreaktoren hergestellt. Als Wirtszellen fungieren meist Bakterien, Hefen oder Säugetierzellen. Biopharmazeutika sind komplexe, hochmolekulare Proteine, die bis zu 800-mal größer als Aspirin sein können. Das erste Biopharmazeutikum war das 1982 eingeführte Humulin, ein biotechnologisch hergestelltes Insulin. Der weltweite Umsatz mit Biopharmazeutika betrug 2009 umgerechnet etwa 71 Milliarden Euro. Das entspricht elf Prozent des gesamten Volumens. Das Marktforschungsinstitut Evaluate Pharma schätzt, dass im Jahr 2016 acht der zehn umsatzstärksten Medikamente biotechnologischen Ursprungs sein werden. Etwa ein Drittel aller Produkte in den Entwicklungspipelines der Pharmaunternehmen sind bereits biotechnologische Medikamente. Mit Biopharmazeutika lassen sich schwere Krankheiten wie Krebs, Multiple Sklerose oder Autoimmunerkrankungen weitgehend nebenwirkungsfrei behandeln. Eine schwerwiegende Nebenwirkung sind allerdings die hohen Behandlungskosten, die durchschnittlich das 20-fache von herkömmlichen Medikamenten betragen. Eine Alternative dazu sind die ebenfalls biotechnologisch hergestellten Biosimilars, die bei gleicher Qualität und Wirksamkeit um einiges billiger sind.

Mehrere Namen für das gleiche Ergebnis

Nach Ablauf der Patentfrist dürfen Biopharmazeutika von jedem Unternehmen kopiert und unter neuer Bezeichnung auf den Markt gebracht werden. Die Europäische Arzneimittelagentur EMA hat für diese Nachfolgeprodukte den Namen #Biosimilars# eingeführt, um sie von den vergleichsweise simplen, niedermolekularen Generika abzugrenzen. Die amerikanische Food and Drug Administration FDA bevorzugt den Begriff #Follow-on Biologics#. Wie bereits der Name nahelegt, können Biosimilars den Originalmedikamenten allerdings niemals identisch, sondern nur ähnlich sein. Das liegt an der komplexen Struktur biopharmazeutischer Substanzen. Als Proteine bestehen sie aus einer Vielzahl von Aminosäuren, die eine nahezu unendliche Anzahl an Möglichkeiten haben, sich zu dreidimensionalen Knäueln zusammenzufalten. Die spezifischen Charakteristika des Proteins und damit auch seiner therapeutischen Wirksamkeit, hängen nicht nur von der chemischen Zusammensetzung, sondern auch von dieser Struktur ab.

Die Suche nach dem gewünschten Eiweiß

Aus diesem Grund ist der Herstellungsprozess von Biosimilars wesentlich anspruchsvoller als jener herkömmlicher Generika. Auch die von der EMA festgelegten Zulassungskriterien sind deutlich strenger. Das schreckt die pharmazeutische Industrie aber nicht davon ab, intensiv an der Entwicklung von Biosimilars zu arbeiten. Ein Hauptplayer ist die Novartis-Tochter Sandoz. Das Unternehmen bietet derzeit drei Biosimilars auf dem europäischen Markt an. Das Wachstumshormon Omnitrope, das Anämie-Medikament Binocrit und das Krebsmittel Zarzio. Etwa zehn weitere Biosimilars befinden sich derzeit in Entwicklung.

Geforscht und produziert wird an den österreichischen Betriebsstandorten Kundl und Schaftenau. In Kundl hat Sandoz vergangenes Jahr eine 23 Millionen Euro teure Produktionsanlage in Betrieb genommen. Weil die Originalhersteller von Biopharmazeutika ihre Betriebsgeheimnisse natürlich nicht preisgeben und die Substanzen so komplex sind, muss das Herstellungsverfahren von Biosimilars quasi neu erfunden werden. #Das heißt, wir analysieren zunächst das Referenzprodukt bis ins kleinste Detail und passen unser Biosimilar in der Entwicklung so lange an, bis es dem Referenzprodukt ebenbürtig ist#, sagt Jörg Windisch, Head Global Technical Development von Sandoz Biopharmaceuticals.

Das Herstellungsverfahren beginnt stets damit, die DNA der gewählten Wirtszelle gentechnisch derart zu verändern, dass sie das gewünschte Protein produziert. Das Wachstum der Proteine erfolgt in steriler Umgebung in Bioreaktoren oder Fermentern unter exakter Einhaltung zahlreicher Prozessgrößen wie pH-Wert, Temperatur oder Sauerstoffzufuhr. Ist eine ausreichende Menge des Zielproteins produziert, muss dieses isoliert und gereinigt werden. Das passiert unter anderem durch zentrifugales Schleudern in Chromatografen. Dazwischen liegen immer wieder Strukturanalysen mittels Spektroskopie oder Röntgenbeugung. Das Ziel ist eine maximale Unreinheit von ein paar Fremdteilchen pro Milliarde Teilchen zu erreichen.

Insgesamt kommen bis zu 35 verschiedene Methoden zum Einsatz, ehe das fertige Produkt in Spritzen oder Flaschen abgefüllt werden kann.

Enorme Einsparungen möglich

Aufgrund dieser aufwendigen Verfahren dauert die Entwicklung von Biosimilars etwa doppelt so lang und ist rund fünfzigmal so teuer wie jene von Generika. Gegenüber Originalmedikamenten liegen die Investitionen aber um den Faktor fünf bis acht niedriger.

Analysten erwarten, dass Biosimilars einen Preisverfall der teuren Originalmedikamente bewirken und zudem wechselseitig die Preise drücken. So sanken am Wiener AKH die Ausgaben für Epoetin, das zur Behandlung der renalen Anämie eingesetzt wird, von 3,3 Millionen Euro auf 1,9. Das erzählte Walter Hörl, Leiter der Klinischen Abteilung Nephrologie & Dialyse, im heurigen Spätsommer am Rand der Alpbacher Gesundheitsgespräche.

In den kommenden fünf Jahren laufen die Patente von Biopharmazeutika mit einem Umsatzvolumen von etwa 49 Milliarden Euro aus. Die Pharmakonzerne stehen bereit, um mit ihren Biosimilars reüssieren zu können. Neben dem Preisvorteil für Patienten sollen Biosimilars die Gesundheitskosten in relevantem Ausmaß reduzieren.

Laut einer Studie des Berliner IGES Instituts könnten in Österreich durch Biosimilars bis 2020 mindestens 854 Millionen Euro eingespart werden. Sandoz-Manager Jörg Windisch rechnet damit, dass Originalhersteller durch den Wettbewerb gezwungen sein werden, ihre Produkte zu verbessern und weiterzuentwickeln. #Biosimilars werden die nächste Innovationswelle bei biologischen Arzneimitteln anregen#, meint er. Dazu müssten freilich gesundheitspolitische Anreize für ihre Einführung und Abgabe geschaffen werden. So fordern Unternehmen eine unkomplizierte Aufnahme der Medikamente in den österreichischen Erstattungskodex.

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