Neues vom digitalen Weltkrieg

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Fünf Monate sind vergangen, seit sich der junge US-Computerexperte Edward Snowden eines Morgens krank schreiben ließ und ein Flugzeug nach Hongkong bestieg - im Handgepäck ein kleiner Daten-Stick.

Nur Tage später hatte die Welt ihre Sensation: Das große Amerika - der stolze Wachturm individueller Freiheiten - belauscht in unvorstellbarem Ausmaß seine Bürger wie auch seine politischen (und wirtschaftlichen) Freunde und Feinde weltweit; Tag für Tag sind seine Spezialisten millionenfach als stille, unsichtbare Zuseher, Zuhörer und Mitleser auf den Datenautobahnen unserer schönen neuen Welt digitaler Grenzenlosigkeit unterwegs.

Die Folgen dieser Enthüllung: globale Empörung. Dann Snowden auf der Flucht, um schließlich in Putins Reich ein Exil zu finden. Dann Zerknirschung bei allen Internet-Multis, die sich widerstandslos den Lauschern ausgeliefert hatten. Dann Massenentlassungen bei US-Geheimdiensten, um Nachfolgetäter möglichst loszuwerden. Und die weltweite Erkenntnis, dass sich die Menschheit mit ihren Errungenschaften den Feind bis ins eigene Schlafzimmer geholt hat.

Jetzt, fünf Monate später, wird eine seltsame Diskrepanz sichtbar: Nach wie vor zünden Spätbomben von Snowdens Daten-Stick. Nach wie vor zeigen sich Regierungen "geschockt" über Amerikas Lauschangriffe. Und doch überrascht die politische Ratlosigkeit, wie dem Zugriff irgendwie Einhalt geboten werden könnte; überrascht auch der Erschöpfungszustand jener, die als Bürger (und Opfer) in einer solchen Welt nicht leben wollen.

USA neu: defensiv und offensiv zugleich

Die Gründe dafür sind vielfältig: die Hilflosigkeit, wie gegenüber den USA politischer Druck aufgebaut werden könnte. Das Fehlen eines medial verwertbaren "Täter-Gesichts". Das vage Gefühl so Vieler, die digitale Kontrolle ohnedies vermutet zu haben. Und die Angst von Regierungen, ihre eigenen Geheimdienste könnten mitbeteiligt sein.

Zur digitalen Ohnmacht gesellt sich jetzt noch eine zweite technische Ausgeliefertheit. Es ist das Wissen um die neue Kriegsführung der USA mit ihren ferngelenkten, unbemannten "Drohnen" in schwindelnder Höhe, die alles können: aufklären, abhören, angreifen per Computer - über Kontinente hinweg. Ohne Ermüdung oder Gefährdung von Piloten. Ohne Behinderung durch Nacht und Nebel. Ohne Gegenwehr. Billig und sicher -zumindest für die USA. Viele hunderte unschuldige Opfer -von Somalia über den Jemen bis Pakistan - sind tragische Kollateralschäden, die jetzt langsam ins Bewusstsein der Welt dringen.

Jahrzehntelang haben wir Europäer den "Gezeitenwechsel" in Amerikas Weltsicht miterlebt: einmal Weltpolizist und Ordnungsmacht (Vietnam, Afghanistan, Irak ), dann wieder Selbstzweifel, Erschöpfung und globale Müdigkeit. Jetzt ist eine neue Ära angebrochen: Dank seiner digitalen Übermacht kann Amerika nun erstmals ganz defensiv und doch ganz offensiv sein.

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