Neujahrsvorsätze, Fasten und Reformation

Werbung
Werbung
Werbung

Alljährlich begleiten sogenannte gute Vorsätze den Neujahrstag. Dabei ist meistens Mäßigung angesagt. Obwohl wir uns eigentlich im Fasching, also in einer Zeit körperlicher Lust, befinden, schwören wir uns selbst auf kulinarisch Askese, auf eine Vorstufe des Fastens ein.

Auf Wikipedia ist zu lesen, dass das Fasten eine Form menschlicher Kultur ist. Schon die alten Ägypter kannten das Konzept verminderter Nahrungsaufnahme und auch gläubige Juden verzichten an mehreren Tagen des Jahres auf jegliche Kalorien. Der Ramadan gehört genauso zur religiösen Praxis, wie die berühmten 40 Tage vor Ostern, während derer Christen den kulinarischen Verzicht üben (sollen). Speziell die katholische Kirche hat dem Fasten zeit ihrer Existenz viel Beachtung geschenkt. Nicht nur Brot brechen, sondern auch Nicht-Essen heißt Glauben. Erst in den frühen Sechzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts wurde die kirchliche Bußpraxis durch körperliche Askese gelockert. Einst waren nicht nur Aschermittwoch und Karfreitag frei von tierischen Esswaren. Bis zu 150 Tage pro Jahr waren ohne Fleisch, Milchprodukte und das damals überlebenswichtige Schmalz zu ertragen. Speziell in nordeuropäischen Ländern führte dieser Fettverzicht per gesellschaftlicher Verordnung zu Mangel und vermutlich auch zu Zorn. Vielleicht hatte die Reformation in Gebieten ohne pflanzliches Öl (wie Italien oder Spanien) auch den Hunger als Grundlage. Protestanten lehnen radikales Fasten bekanntlich ab. Ulrich Zwinglis Reformation in der Schweiz begann mit einem demonstrativen Wurstessen während der Fastenzeit.

Abgesehen von guten Neujahrsvorsätzen und dem freudig genossenen Heringschmaus am Aschermittwoch hat sich die reformatorische Interpretation des Fastens als reine Äußerlichkeit, durch die das Wohlwollen Gottes nicht erlangt werden könne, auch in katholischen Gefilden mehr oder weniger durchgesetzt. Zumindest fastet - wer es sich leisten will und kann - nicht mehr mit Gottes Gnaden, sondern gibt sich neuen, pseudoreligiösen Askeseformen hin: Diese heißen jetzt Kuren und man kann sie in abgeschiedenen Tempeln für hohe "Spenden" durchführen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung