Neutralität franst aus

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Es war zweifellos der Papstbesuch, dem das Interesse der Medien zum Wochende galt. Außenminister Wolfgang Schüssel hatte auch ein dichtes Programm. Er war bei der Begrüßung des Papstes am Salzburger Flughafen, selbstverständlich war er am Samstag beim Empfang des Papstes in der Hofburg, wo Johannes Paul II seine viel beachtete Europa-Rede hielt.

Zum selben Zeitpunkt begann in der Hofburg, nur ein paar Säle weiter, ein hochrangig besetztes NATO-Workshop. Unverblümt, offen und ehrlich hat Außenminister Schüssel das gesagt, was er seit Jahren mehr oder weniger laut denkt: "Es herrscht Konsens in diesem Land, daß Verpflichtungen der internationalen Solidarität ... vorrangig gegenüber den Verpflichtungen der klassischen Neutralität sind. Sie macht keinen Sinn, wenn sich die internationale Gemeinschaft entschlossen hat, gegen einen Aggressor vorzugehen."

Neutralität ist interpretierbar. Sie entwickelt sich, so wie Alois Mock es sieht, weiter. Und diese Weiterentwicklung wurde vergangenen Donnerstag im Parlament besiegelt. SPÖ und ÖVP beschlossen, in Zusammenhang mit der Ratifizierung des Amsterdamer Vertrages über die Reform der EU, die Verfassung dahingehend zu ändern, daß Österreich künftig auch an internationalen Kampfeinsätzen zur Friedenssicherung und Krisenbewältigung teilnehmen kann.

Das bedeutet in Wahrheit, daß der Definitionsumfang von Neutralität am Rande mehr und mehr ausfranst. Hat Neutralität keinen guten Geruch mehr? Riecht sie nach 43 Jahren abgestanden und modert vor sich hin? Ja, für die ÖVP tut sie es. Und ihrer Meinung nach auch für die Bevölkerung; zumindest für jene 66,6 Prozent, die am 12. Juni 1994 für den EU-Beitritt gestimmt haben. Für die SPÖ ist die Neutralität auch ein Auslaufmodell. Nur sagt sie es nicht so deutlich. Die Neutralitätsfans hat Klima zurückgedrängt. Er und die SPÖ werden das Land in ein paar Jahren, gemächlich und ziemlich ohne Aufsehen, in die NATO führen. Und genauso schleichend werden wir uns dann von der Neutralität verabschiedet haben. Ohne die Bevölkerung über einen ihrer zentralsten Identifikationswerte befragt zu haben.

Die Autorin ist Pressereferentin des Katholischen Familienverbandes.

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