Nicht diese Töne!

19451960198020002020

Die an sich begrüßenswerte Restitution geraubter Kunstwerke droht neue Gräben aufzureißen.

19451960198020002020

Die an sich begrüßenswerte Restitution geraubter Kunstwerke droht neue Gräben aufzureißen.

Werbung
Werbung
Werbung

Der 8. Juli 1999 ist der Tag, an dem die Familie Rothschild bei Christie's in London wertvolle Kunstwerke, die ihr kürzlich von der Republik Österreich ausgefolgt worden sind, versteigern läßt. Sie beweise damit, so im "profil" der Publizist Hubertus Czernin, "Stil und Realitätssinn" und habe "keine Alternative zur Auktion" gehabt: "Wer vermag schon ein Gemälde von Hals (50 bis 70 Millionen Schilling) oder Louis-XV.-Möbel bei sich zu Hause auszustellen und dafür Versicherungsprämien zu zahlen?"

Die Versteigerung, deren Prunkstück das "Porträt Tieleman Roosterman" von Frans Hals ist, zeigt jedenfalls: In Sachen Kunst geht es auch und vor allem um Geld. Man hängt an Kunstwerken nicht nur, weil ihr Anblick schön, interessant, provokant oder was immer ist, sondern auch weil sie Wert haben. Und Konflikte über den Besitz von Kunstwerken haben nur zu einem geringen Teil mit hehren Gefühlen gegenüber dem jeweiligen Objekt der Begierde, sondern auch mit handfesten pekuniären Interessen zu tun, was durchaus legitim ist.

Kunstwerke, die in der NS-Zeit ihren rechtmäßigen Besitzern ohne angemessene Entschädigung abgenommen wurden und in öffentlichen Museen Österreichs gelandet sind, sollen ihren Eigentümern oder deren Erben zurückgegeben werden. So sieht es - sehr spät, wenn man bedenkt wie lang die NS-Zeit zurückliegt, aber doch - das neue Restitutionsgesetz vor. Anlaß für diese Maßnahme war die auf Antrag von jüdischen Familien erfolgte Beschlagnahme von zwei Egon-Schiele-Bildern als "Raubkunst" in New York. So weit, so gut.

Doch es war zu erwarten, daß die Umsetzung dieses Gesetzes nicht ganz reibungslos verlaufen würde. Nach einigen positiv erledigten Anträgen auf Rückstellung nicht einwandfrei erworbener Kulturgüter - wie im Fall der Familie Rothschild - erhitzt nun ein heftiger Disput um wertvolle Gemälde des Wiener Künstlers Gustav Klimt die Gemüter. Sie sollen nach der von Kulturministerin Elisabeth Gehrer akzeptierten Meinung des zuständigen Restitutionsbeirates im Eigentum der Österreichischen Galerie im Wiener Schloß Belvedere bleiben.

Hubertus Czernin fuhr nun im "Standard" gegen das für die Entscheidung verantwortliche Gremium und Ressortchefin Gehrer mit schwerem Geschütz auf: Die Bilder stünden ohne Zweifel der 83jährigen Erbin der Familie Bloch-Bauer zu, alle Einwände dagegen seien fadenscheinig oder bewußt erlogen.

Daß die meisten Medien - ausgenommen "Standard" und "profil" mit deutlich kritischer Haltung gegenüber Gehrer - dem Thema wenig Raum widmeten, verwundert nicht. Die Sache ist wie alles, was seit 1945 mit dem Verhältnis des offiziellen Österreich zu Aneignungen jüdischen Eigentums während der NS-Zeit zu tun hat, heikel, die Details werden von den Streitparteien zu unterschiedlich dargestellt, um weniger gut Informierten ein eindeutiges Urteil zu erlauben.

Aber vielleicht ist die Frage, wer in diesem konkreten Fall recht hat, auch gar nicht so entscheidend wie die Frage, wie mit so einem Problem umgegangen wird. Und da muß man eindeutig den Appell aussprechen: Nicht diese Töne!

In den Augen Czernins und seiner Parteigänger ist das Recht eindeutig auf Seite der Bloch-Bauer-Erbin Maria Altmann: Die Bilder seien 1938 enteignet und der Österreichischen Galerie einverleibt worden - ein klassischer Fall von "Raubkunst". Im Ministerium argumentiert man mit einer testamentarischen Bitte der 1925 verstorbenen Auguste Bloch-Bauer an ihren Mann, die Bilder nach seinem Tod der Österreichischen Galerie zu überlassen. Ein Bild sei ja auch schon vor der NS-Zeit in die Galerie gekommen. Daß Ferdinand Bloch-Bauer, der ursprünglich den rechtlich nicht bindenden Wunsch seiner Frau erfüllen wollte, steht fest, daß er nach der Enteignung durch die Nazis davon Abstand nahm und die Bilder 1945 wieder beanspruchte, ist verständlich. Als Staatsbürger muß man aber auch verstehen, ja darf sogar erwarten, daß die Republik Österreich Bilder aus ihren Beständen nicht ohne eindeutige Rechtslage hergibt. Diese sollte freilich rasch von unabhängigen Richtern geklärt werden.

Polemik dient der Sache jedenfalls sicher nicht. Wer wie der amerikanische Anwalt Randolph Schoenberg die Entscheidung als "typisch österreichische Schweinerei" bezeichnet, verspielt viele Sympathien bei jenen, die im Sinne der Gerechtigkeit die neue Gesetzeslage lebhaft begrüßt haben, aber absolut keine Lust haben, pauschale Beleidigungen hinzunehmen. Man muß auch dem Restitutionsbeirat zubilligen, daß er sich die Sache nicht leicht gemacht hat.

Es ist zunehmend unerträglich, daß alle heutigen Bürger eines Staates diffamiert werden, weil in einer Zeit, als dieser Staat gar nicht existierte, auf seinem Gebiet schwerstes Unrecht an jüdischen Mitbürgern begangen wurde. Daß daran sehr viele Österreicher beteiligt waren, ist nicht zu leugnen, daß das Unrecht möglichst wieder gutgemacht werden soll, ist Verpflichtung, aber gegen solche Töne kollektiver Verurteilung ist immer und überall scharf zu protestieren.

Sie liefern Vereinfachern und Aufrechnern der Geschichte Munition und führen selten zu etwas Gutem.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung