"Nicht fallen, sagte sie sich, nicht loslassen."

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Arbeit ist eine Sucht, die wie eine Notwendigkeit aussieht", sagt der Bohemien Peter Altenberg, der nie einer geregelten Tätigkeit nachgegangen ist.

Etwa 100 Jahre später spricht "die praktikantin" in Kathrin Rögglas Roman "wir schlafen nicht" ganz konkrete Wünsche nach einem "ordentlichen berufsleben" an: "sie wäre gerne mal richtig in einem projekt", ja endlich einmal "in einem job drin".

"Der Markt ist hart"

Arbeit ist thematisch eng mit der Literatur verquickt, ob schwere Arbeit an der Grenze körperlicher Möglichkeiten und Ausbeutung oder moderne Arbeit als Herausforderung -rund um die Uhr, dicht ins Leben gestrickt. Schon damals, als 2004 Rögglas Roman erscheint, kommt die Praktikantin zu Wort. Also Erfahrungen sammeln, oft unbezahlt oder zu geringem Lohn. Das Volontariat macht sich gut im Lebenslauf, auch heute noch.

Die Tiroler Journalistin und Lektorin Friederike Gösweiner greift in ihrem Debüt "Traurige Freiheit" genau diese Form des prekären Arbeitsverhältnisses auf. Immerhin ist das Praktikum schon integraler Bestandteil eines Bewerbungsportfolios; doch manchen gelingt es nicht, sich abseits dieser hybriden Beschäftigungsmatrix beruflich zu verankern.

Die dreißigjährige Protagonistin Hannah, eine Journalistin, ist so eine. Ein Praktikum in Berlin scheint ihre große Chance zu sein, endlich einmal beruflich auf sich aufmerksam machen zu können. Die Beziehung zerbricht, da ihr Freund Jakob, der gut situierte Arzt, sich mit einer Fernbeziehung ganz und gar nicht anfreunden will.

Nichtsdestotrotz geht Hannah nach Berlin und steht nach absolviertem Praktikum wieder auf der Straße. Obwohl sie sich engagiert und weiter bewirbt, ergibt sich nichts: "Der Markt ist hart, das wissen Sie, und die Krise allgegenwärtig. Für Sie heißt es jetzt also: kämpfen! Beweisen Sie uns, dass Sie hierher gehören, lassen Sie sich was einfallen, seien Sie originell, zeigen Sie uns, was Sie hier alles gelernt haben... Denken Sie daran, die Konkurrenz schläft nicht, am Montag fangen acht Neue hier an, die wollen genau das Gleiche wie Sie."

Selbstverständlich sichert man ihr zu, dass sie als Freie Beiträge schicken darf. Natürlich bleibt man fürs Erste in Kontakt. Doch wirklich in Sicht bleibt nur das "nächste Volontariat".

Hannah wird plötzlich bewusst, dass sie ihren Schritt nach Berlin nur bis hierher geplant hat. Jetzt drohen Einsamkeit, Aussichtslosigkeit und Depression. Dabei gehört sie doch "zur Generation", von der es heißt, dass ihr "alle Wege" offenstünden. "Man könne alles werden, alles sein, hieß es, alles sei möglich, das sei die totale Freiheit."

Gösweiner konzentriert sich in ihrer Prosa auf die potentiellen Freiheitsfronten, an denen ihre Protagonistin kämpft. Als Frau will sie nicht abhängig vom gut verdienenden Arzt an ihrer Seite sein, über den sie sich lange definiert hat. Das Praktikum, für das sie finanziell zwar nur eine Aufwandsentschädigung bekommt, hätte ihren beruflichen Durchbruch bedeuten können. Auch ihren Eltern, die skeptisch, aber immer noch bereit sind, sie zu unterstützen, könnte sie beweisen, dass sie es alleine geschafft hat.

Emotionales Desaster

Doch die Lage bleibt prekär und wirkt sich schließlich auf ihre Psyche aus. "Niemand brauchte sie. Niemand wollte sie. Sie war zu nichts nutze... Wie hatte sie nur nicht daran denken können? Wenn alles möglich war, war eben auch das Verlieren möglich."

Minutiös entblößt Gösweiner sukzessive das emotionale Desaster im Stimmungsgemälde ihrer Hauptfigur. Die angespannte Situation zeigt sich im Verlust des Selbstwertgefühls: "Die Wahrheit war, sie war ein Nichts. Sie hatte keine Arbeit, sie mietete keine Wohnung, sie zahlte keine Steuern. Sie trug nichts zum Bruttosozialprodukt bei, sie leistete keinen Beitrag für das Allgemeinwohl." Um sich über Wasser halten zu können, jobbt sie in einem Café als Kellnerin. Sie kann billig wohnen -im kleinen Appartement ihrer Freundin Miriam, die gerade in Moskau ist.

Mit sicherem Gespür tastet sich Gösweiner in die tiefsten Falten eines Gefühlskondensats, in denen sich zwischen Verzagtheit und Selbstzweifel ein Ich offenbart, das in dieser Berufssparte wohl keine Chance auf Zukunft hat. Dabei korrespondiert die Langsamkeit des Erzählens mit der Leere der Tage und der Veränderung ihres Blicks. Da gibt es keinen sozialen Kokon, kein Netz, das sie auffängt, nur das Skypen mit Miriam. Die digitale Verbindung zu ihrem Ex-Freund ist zwar da, weckt aber die Sehnsucht nach dem alten Leben, das in unwiderrufliche Ferne gerückt ist.

Eines Tages lernt sie einen Journalisten kennen, der sie beruflich unterstützen könnte, aber die Hilfe bleibt aus. Der Mann verschwindet aus ihrem Leben so plötzlich, wie er es betreten hat. "Nicht fallen, sagte sie sich, nicht loslassen."

Das Fallen durchschwingt den Roman als Leitmotiv. Da ist dieses Filmplakat mit dem Sujet des Nicht-Entrinnen-Könnens, das sich in "Ausgesetztheit" und "Hoffnungslosigkeit" bündelt, oder die Video-Sequenz über einen Basejumper im Wingsuit, der bei seinem Absturz mit einer Helmkamera gefilmt worden und ganz plötzlich "aus dem Bild gefallen" ist. Und doch hat sie selbst als Kind das Aufstehen nach dem Hinfallen so wunderbar beherrscht.

Irritierende Brüche

Allerdings gibt es in diesem Roman gelegentlich auch Brüche oder Fäden, die aufgenommen und plötzlich wieder fallen gelassen werden. Das irritiert. Dabei geht es nicht um Leerstellen, die Interpretationsspielräume eröffnen, um die Handlung in einen schwebenden Kontext zu stellen, sondern um Situationen -etwa ein seltsames Klopfen an der Wohnungstür -oder Figuren, so auf einer Wanderung, die ohne Relevanz für den Plot wieder aus dem Geschehen diffundieren.

Ein Verdienst dieser Prosa ist es aber sicher, sich eines längst notwendigen Themas angenommen zu haben. Prägnant schreibt Gösweiner dem Leben ihrer Protagonistin Phasen der Erschöpfung und des Stillstands ein, die von Tristesse, Mutlosigkeit und vor allem auch Armut begleitet sind. In eindringlichen reflexiven Passagen wuchern soziale Trägheit, Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit. In diesem Dasein gibt es keine Inseln.

Traurige Freiheit Roman von Friederike Gösweiner Droschl 2016 144 Seiten, geb., € 18,00

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