Nicht nur Märchen über den Winter

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Eine großangelegte Schau im Kunsthistorischen Museum Wien präsentiert unterschiedlichste künstlerische Auseinandersetzungen mit dem Thema "Winter“. Neben idyllischen Motiven werden dabei auch Armut und Not, Gewalt und Krieg thematisiert.

Winterlich ist hierzulande noch niemand gestimmt. Daran ändern auch die Punschhütten und gerade eröffnenden Weihnachtsmärkte nichts. Denn zum richtigen Winterfeeling gehören Schnee, Eis und Kälte. Genügend Schnee hat sich allerdings bereits im Kunsthistorischen Museum eingefunden - auf Werken der europäischen Kunstgeschichte von Pieter Bruegel bis Joseph Beuys. Erstaunlich, dass "Wintermärchen“ die erste große Ausstellung ist, die einen Überblick über die Darstellung des Winters in der europäischen Malerei gibt, schließlich ist der Winter eines der Ur-Themen der Menschheit, so der Kurator und ehemalige Direktor des Amsterdamer Rijksmuseum Ronald de Leeuw: "Der Winter ist fast so alt wie die Welt.“

Mit 180 Malereien, Skulpturen, Kunstkammerobjekten und Tapisserien spannt die KHM-Schau thematisch wie auch stilistisch einen großen Bogen. Zeitlich erstreckt sich die Präsentation vom Spätmittelalter bis in die Gegenwart und wartet mit einer Künstlerliste auf, die sich wie ein Who’s Who der europäischen Kunstgeschichte liest - darunter Rubens, Turner oder Gauguin.

Die "Nichtfarbe“ Weiß

Beim Rundgang durch die dichtgehängte Ausstellung wird eines deutlich: Winter ist nicht gleich Winter. Denn die kälteste Jahreszeit findet sich auf ganz unterschiedliche Weise in der Kunst dargestellt. Da gibt es etwa "Allegorien des Winters“ aus dem 16. oder 17. Jahrhundert, in denen der Winter als alter bärtiger Mann mit dicker Pelzmütze dargestellt wird, der seine Hände über dem Feuer wärmt wie auf Joachim Sandrarts "Januar, Februar“ (1642/43). Angetan waren Künstler stets von winterlichen Landschaften, die aufgrund der reduzierten Farbigkeit und der Härte der Naturgewalten malerisch andere Herausforderungen darstellten als farbenfrohe Frühlings- oder Herbstszenarien. Besonders die den Winter kennzeichnende "Nichtfarbe“ Weiß hat Künstler seit jeher, verstärkt aber seit dem Impressionismus und der beginnenden Moderne, interessiert. Mit seinem nahezu komplett weißen Schneebild "Die Elster“ (um 1868) entwickelte Claude Monet eine innovative Art der Landschaftsdarstellung - ein impressionistisches Paradestück, das aufgrund der hellen Farbigkeit die Wahrnehmung der Betrachter auf gänzlich neue Weise beanspruchte.

Winter bedeutet immer auch Armut und soziale Not. Dies spiegeln eine Reihe sozialkritischer Bilder. Etwa Peter Fendis Biedermeier-Genregemälde "Der frierende Brezelbub vor der Dominikanerbastei“ (1828), das auf das Elend von Kinderarbeit der städtischen Unterschicht hinweist, die aufgrund der desaströsen Wohnverhältnisse und des fehlenden Geldes für Brennholz besonders vom Winter betroffen war.

Zu den grauenvollsten Winter-Darstellungen zählen jene, die den Winter mit dem Thema Gewalt und Krieg verbinden. So verortet Pieter Bruegel die neutestamentliche Geschichte des "Bethlehemitischen Kindermords“ (1565) in einem schneebedeckten flämischen Dorf seiner Zeit, und erzeugt so einen brutalen Kontrast zwischen der weißen Landschaft und dem roten Blut der ermordeten Kinder.

Licht und Fett gegen die Kälte

Künstler thematisieren aber nicht nur die Schattenseiten dieser Jahreszeit. Die Freude am Eislaufen, Schneemannbauen oder Schlittenfahren findet sich genauso auf Bildern wie die Darstellung winterlicher Feste und Bräuche, sei es das Martins-, Nikolaus- oder Weihnachtsfest, das fröhliche Treiben auf Weihnachtsmärkten oder die ausgelassene Faschingszeit, die das Ende des Winters ankündigt. Besonders in Erinnerung bleiben hier Pierre Maximilien Delafontaines lebensgroßes Porträt "Schlittschuhläufer“ (1798) oder Jan Steens erzählerisches Genrebild "Das Nikolausfest“ (1669).

Auch wenn die Darstellungsweisen und Medien im 20. Jahrhundert gänzlich andere sind, die Themen und Fragestellungen in Zusammenhang mit dem Winter bleiben ähnliche. Das lässt sich zumindest aus Joseph Beuys’ "Schlitten“ (1969) schließen, einem der jüngsten Objekte der Ausstellung. Der Holzschlitten mit der Taschenlampe, dem Filz und dem Fettstück darauf koppelt zwei jahrhundertealte Themen: die Fortbewegung des Menschen in der winterlichen Natur - und Wärme, Licht und Fett als notwendige Elemente, um der Kälte zu trotzen.

Wintermärchen

Winter-Darstellungen in der europäischen Kunst von Bruegel bis Beuys. Kunsthistorisches Museum

bis 8. Jänner 2012, Di-So 10-18, Do bis 21 Uhr

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