Nicht über eine Ahnung hinausreichend

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"Lou Andreas-Salomé": Der erste Film über die schillernde Frau des Fin de Siècle ist qualitätsvolles Bildungsfernsehen, aber kein großes Kino.

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"Lou Andreas-Salomé": Der erste Film über die schillernde Frau des Fin de Siècle ist qualitätsvolles Bildungsfernsehen, aber kein großes Kino.

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Ihr verdankt die Nachwelt, dass Rilke nicht als René, sondern als Rainer in dieselbe eingegangen ist. Mit den Philosophen Paul Rée und Friedrich Nietzsche bildete sie eine der bekanntesten Dreiecksbeziehungen der Kulturgeschichte. Ihre Ehe mit dem Orientalisten Friedrich Carl Andreas führt sie als körperlich unvollzogene "Scheinehe". Und bei Sigmund Freud lernt sie die Psychoanalyse.

Lou Andreas-Salomé ist zweifelsohne eine der bekanntesten und schillerndsten Gestalten des Fin de Siècle -eine Ikone der Frauenemanzipation ebenso wie Muse für Dichter und Philosophen, bis sie 1937, von den Nationalsozialisten verfemt, in Göttingen stirbt. Dass sich diese Figur gerade für filmische Fantasien eignet, steht außer Frage. Doch von Fantasie ist in Cordula Kablitz-Posts "Lou Andreas-Salomé" leider wenig zu bemerken.

Der erste große Film über die Jahrhundertfrau bleibt an der Oberfläche des Nacherzählens, konventionelles Bildungskino oder eigentlich: Bildungsfernsehen, das auch im Kino zu sehen ist. Eine Fülle an Informationen über Leben und Lieben der Lou Andreas-Salomé hat die Regisseurin und Drehbuchautorin in den Film gepackt. Aber reicht das, um der Protagonistin auch auf der Leinwand gerecht zu werden?

Allein mit vier Darstellerinnen der Lou - als Sechs-und als Sechzehnjährige, dann zwischen 21 und 50, schließlich mit 72 - wartet der Film auf. Die Miminnen der beiden letzteren -Katharina Lorenz und Nicole Heesters -bieten denn auch vollendetes Schauspiel, doch dies genügt nicht, um der Titelgestalt des Films näherzukommen.

Hervorragende Schauspieler

Auch die Herren, die dieses Leben filmisch untermalen -Alexander Scheer als Nietzsche, Julius Feldmeier als blässlicher Rilke oder Philipp Hauß als Paul Rée, machen ihre Sache gut. Zusätzlich hat Peter Simonischek einen kleinen Auftritt als Lous Vater Gustav von Salomé.

In Rückblenden erzählt der Film das Leben der Protagonistin: Die alte Lou, deren Bücher von den Nazis verbrannt wurden, wohnt in Göttingen und lernt dort den jungen Germanisten Ernst Pfeiffer (Matthias Lier) kennen, dem sie ihr Leben "diktiert", auf dass es der Nachwelt hinterlassen bleibe. Aus dieser Rahmenhandlung heraus entwickelt Cordula Kablitz-Post die Biografie Andreas-Salomés.

Gewiss, der Informationsgehalt, der hier zusammengetragen und kompiliert wird, ist enorm. Für Wissensdurstige gibt der Film viel her, aber unter Filmkunst wird er kaum firmieren, zu erwartbar ist "Lou Andreas-Salomé" geraten. Man ahnt, was für ein Teufelskerl von Frau die Protagonistin war, und dass die Männer, die ihren Weg gesäumt haben, auch als Statisten ihres Lebens fungieren könnten. Doch über diese Ahnung geht der Film nicht hinaus.

Im Hauptabendprogramm von Arte, 3sat oder ORF III ist er sicher gut aufgehoben. Im Kino dagegen eher nicht.

Lou Andreas-Salomé

D/A 2016. Regie: Cordula Kablitz-Post. Mit Katharina Lorenz, Nicole Heesters, Julius Feldmeier. Polyfilm. 113 Min.

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