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Scheinbar ist kein Ausdrucksregister unserer Sprache einfacher zu benützen als die Verneinung, zumal die Variante mit der negierende Vorsilbe un-. Die Adjektive ungerecht, ungünstig, unfrei, untreu, unbequem usw. verwandeln die positiven Eigenschaften in ihr Gegenteil, wobei sie bisweilen Konkurrenz von bloß negativen Wörtern erhalten: so alterniert etwa ungut mit schlecht, unfroh mit traurig, unschön mit hässlich.

Aber der Schein eines simplen Sprachmechanismus trügt: Allenthalben zeigen sich Lücken im System, und die Ausnahmen überwuchern mitunter den Regelfall. So lassen sich Eigenschaftswörter wie untapfer, unreich, unstark usw. zwar zur Not verstehen, doch sie sind weder üblich noch im genormten Wortschatz vorgesehen. Manchmal wiederum weist die Verneinung mit un- semantisch in eine andere Richtung als das Grundwort. Wenn jemand unverdrossen einem Hobby frönt, bezeichnet der Ausdruck eine Gewohnheit, aber nicht die psychische Verfassung der handelnden Person. Auch bei den Substantiven gibt es Überraschungen: Mag man einem Unmenschen noch das humane Merkmalprofil absprechen, so verwandelt sich die Negation bei Untier in die Abwertung eines Wesens, mit dem man nichts zu tun haben will.

Gelegentlich treffen wir auch auf un-Bildungen ohne positives Gegenstück. Zu unwirsch ein wirsch zu stellen, zeugt zwar von sprachlicher Kreativität, wird aber vom Duden nicht bestätigt.

Und wie steht es mit dem Doppelsinn von Untiefe? Als Substantivierung der Eigenschaft untief benennt das Wort eine seichte Stelle. Als Negation von Tiefe steht es - analog zu Unwetter oder Untier - gerade für einen gefährlichen, verhängnisvollen Wasserschlund.

Geister, die stets verneinen, seien also gewarnt: Wer keine Verkühlungssymptome hat, ist noch lange nicht unverfroren.

Der Autor ist Professor für Sprachwissenschaft in Salzburg.

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