Nobilitierung eines lange Zeit unterbelichteten Mediums

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Landschafts-und Straßenfotografie, Werke der Neuen Sachlichkeit und des Piktorialismus: die Ausstellung "Black &White" in der Wiener Albertina lädt zu einer Entdeckungsreise durch die Fotografiegeschichte ein.

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Landschafts-und Straßenfotografie, Werke der Neuen Sachlichkeit und des Piktorialismus: die Ausstellung "Black &White" in der Wiener Albertina lädt zu einer Entdeckungsreise durch die Fotografiegeschichte ein.

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Die Wiener Ringstraße, daran erinnern heuer viele Veranstaltungen, ist genau 150 Jahre alt. Mit Oper und Burgtheater, mit Parlament und Rathaus ist sie eine zuverlässige Attraktion gerade für Touristen. Wie allerdings sah Wien aus, bevor es diese Prachtstraße gab? Davon kann sich der Besucher der aktuellen Ausstellung "Black & White" in der Albertina im wahrsten Sinne ein Bild machen. Wo heute die Ringstraße ist, befand sich einst die Stadtbefestigung, das zeigt eine Aufnahme aus dem Jahr 1860. Ein historisches Dokument. Ein Glück, dass wenige Jahre zuvor die Fotografie erfunden wurde, jenes Verfahren, das die flüchtige Schrift des Lichts dauerhaft zu konservieren vermochte. Ein Glück auch, dass die K.K. Hof- und Staatsdruckerei Wien so weitsichtig war und ihre Aufnahme für die Nachwelt aufhob. Warum auf dieser Fotografie kein Mensch zu sehen ist, ist leicht erklärt: Die Belichtungszeit war damals noch so lang, dass alles verwischt wurde, was sich bewegte.

Einzelne Schlaglichter

Ein Abbild der Wirklichkeit liefern, darin bestand anfangs die große Bedeutung der Fotografie. Später kamen andere Anwendungsbereiche dazu, etwa das technische Experiment oder die künstlerische Ambition. Ein Kennzeichen dieses im Vergleich zur Literatur und Musik recht jungen Mediums ist ihre Vielschichtigkeit und Vielseitigkeit. Etwas von dieser ungeheuren Bandbreite zu vermitteln, ist ein zentrales Anliegen der Kuratoren der "Black & White"-Ausstellung, Astrid Mahler und Walter Moser.

Gezeigt werden Architektur-und Porträtaufnahmen, Straßen-und Landschaftsfotografie, Werke der Neuen Sachlichkeit und des Piktorialismus: Insgesamt 110 Exponate geben nicht zuletzt einen (ersten) Einblick in die rund 100.000 Fotos umfassende Sammlung der Albertina - weitere Ausstellungen zum eigenen Bestand sollen folgen. Die Werke sind nach Genres und nur vage chronologisch geordnet. Für die Hängung war den Kuratoren wichtiger, dass sich die verschiedenen Werkgruppen inhaltlich und formal ergänzen - oder gerade einen interessanten Kontrast ergeben. Naturgemäß kann kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben werden, es sind einzelne Schlaglichter, die geliefert werden.

Der Fotografie ein eigener Raum

Heinrich Kühn (1866-1944), Österreichs prominentester Vertreter des Piktorialismus, gestaltete seine Fotos so, dass sie der Malerei sehr nahe kamen: mit leichter Unschärfe, wie mit dem Pinsel hingetupft. Zu sehen ist ein Bild, das er von seinen beiden Kindern Lotte und Hans machte. Er hatte ihnen gesagt, was sie für die Aufnahme anziehen sollten, denn ihm ging es darum, bestimmte Grautöne zu erzielen. Auf Schärfe und exakte Wiedergabe legte dagegen Lucia Moholy (1894-1989) bei ihren Aufnahmen des Bauhaus-Gebäudes in Dessau Wert. Im nächsten Raum ein mannshoher Akt von Helmut Newton (1920-2004) aus dem Jahr 1993, in Schwarz-Weiß, die Ästhetik der Modefotografie ironisch überhöhend. Der Besucher kann sich auf eine spannende Entdeckungsreise durch die Fotografiegeschichte begeben, hier in den Galleries for Photography, dem Raum der Albertina, der seit jüngstem nur für Fotoausstellungen reserviert ist.

Es ist das Verdienst von Albertina-Direktor Klaus Albrecht Schröder, dass er kurz nach seinem Amtsantritt im Jahr 1999 die Fotosammlung in seinem Haus aufgebaut hat, eine Nobilitierung dieses lange Zeit recht unterbelichteten Mediums. Heute handelt es sich um die bedeutendste Sammlung künstlerischer Fotografie in Österreich, die sich vor allem Dauerleihgaben der Höheren Graphischen Bundes-Lehr-und Versuchsanstalt (der weltweit ersten auf Fotografie spezialisierten Schule) und der Österreichischen Ludwig-Stiftung für Kunst und Wissenschaft verdankt. Nicht zu vergessen eines Mäzens, mit dessen großzügiger Spende die wissenschaftliche Aufarbeitung der Albertina-Fotobestände für die nächsten fünf Jahre gesichert ist, wie Schröder bei der Eröffnung der Ausstellung betonte. Wer dieser Mäzen ist, sagte er allerdings nicht. Der Gönner möchte wohl unbekannt bleiben.

Black & White

bis 17. Jänner, Albertina tägl. 10-18 Uhr, Mi 10-21 Uhr www.albertina.at

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