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160 Konzerte Neuer Musik, 132 Uraufführungen, 60.000 Besucher: die Bilanz von 10 Jahren "Klangspuren" in Schwaz.

Wenn Festspielstrukturen diskutiert werden, ist immer wieder von den Schwazer Klangspuren die Rede. Das Festival wird um seine fast hundertprozentige Auslastung beneidet, um sein Renommee, um das Publikum. Da wird Neue Musik vor ausverkauften Sälen geboten, internationale Stars kommen gern und eine Uraufführung in Schwaz ist wahrlich herzeigbar. Das alles ist freilich noch nicht das Geheimnis des Erfolgs.

Man bekommt eine Ahnung davon, wenn man mitten drin ist. In ländlicher Gegend an wechselnden Orten, der kleinen barocken Kirche, der Fabrik, der Fleckviehversteigerungshalle, oder, urbaner, bei Gastspielen in Innsbruck. Man trifft auf Intellektuelle, Musiker, In-Publikum, Bäuerliche, Menschen jeden Alters mit offenen Ohren, die hier Anregung, Aufregung und Lust gewinnen und einen Funken Utopie. Niemand fühlt sich deplaziert und niemand fremd.

Das soeben zu Ende gegangene 10. Festival zog tiefe Klangspuren. Es war thematisch dem "Norden" gewidmet, Finnland, Schweden und Dänemark, erweitert um Estland. Dem estnischen Starkomponisten Erkki-Sven Tüür gehörte die Personale. Seine Musik ist ein Wunderwerk aus feinem Gespinst, Mythos, Brechung und historischen Spiegelungen. Sie ist Glasperlenspiel und Einzelereignis.

Die Neufindung innerhalb des musikalisch-kulturellen Kontextes, intellektuell und mythosgebunden zugleich, ist wohl eine Gemeinsamkeit in der ungemein vielfältigen nordischen Musikerfindung. Sie hat mit der Landschaft zu tun, dem Licht und dem speziellen Zeitbegriff. Die jungen Komponisten lassen avantgardistische Strömungen und das Experiment ebenso zu wie ihre ureigene Tradition und die Popmusik.

So sang die schwedische Folksängerin Lena Willemark ein raunendes Werk ihrer Landsmännin Karin Rehnqvist, so ließen finnische Komponisten der jüngsten "open ears"-Generation ihre Klangvorstellungen hören. Eine Fülle von Namen mit Hintergrund, von Maja Ratkje und Magnus Lindberg bis Bent Sorensen, Volker Heyn und Aki Yli Salomäki. Zu den interpretatorischen Aushängeschildern gehörten die aufstrebenden Ensembles NYYD, BIT20 und Poing 5. US-Uraufführungsstar zum Finale war Laurie Anderson in Begleitung des Stuttgarter Kammerorchesters.

Das heimische Porträt war dem in Wien lebenden Tiroler Komponisten Christof Dienz gewidmet, der als Chef des Tiroler "Knödel"-Ensembles sein Talent international entfaltet hat und es nun kompositorisch kultiviert.

Das ist auch ein typischer Klangspuren-Effekt: Hochrangige heimische Kräfte werden mit internationalen Größen zusammengebracht. Das hat Karrieren wie jene von Johannes Maria Staud und Eduard Demetz entscheidend angekurbelt. Der österreichische Uraufführungsbogen reichte heuer von Erich Urbanners Klavierkonzert Nr. 4 am Eröffnungsabend bis zu Dienz' neuem Orchesterstück zum Finale.

Der Instrumenten-Schwerpunkt der Klangspuren galt heuer dem Klavier, und da kam es zu singulären Ereignissen: Pierre-Laurent Aimard, der Sperriges ebenso wie Hypotrophes genial in den Griff bekommt, spielte u.a. Charles Ives' gigantische 2. Klaviersonate; Neue-Musik-Legende Herbert Henck hatte u.a. Jean Barraqués Sonate aufgelegt, und Steven Osborne versenkte mit emotionaler und physischer Durchhaltekraft das Publikum in Olivier Messiaens mystische Sprache der "Vingt Regards sur l'Enfant Jésus": Ausnahmepianisten mit Ausnahmewerken des 20. Jahrhunderts.

Die Klangspuren Schwaz 2004 widmen sich Ungarn, Litauen und Slowenien.

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