Norwegens ungewöhnlicher Pionier der Moderne

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Die Kunsthalle Krems zeigt in einer sehenswerten Schau Bilder des norwegischen Künstlers Peder Balke. Es ist die erste Retrospektive des Malers außerhalb seines Geburtslandes.

Radikal, innovativ und seiner Zeit weit voraus. Zugleich außerhalb Norwegens nahezu unbekannt. Die Begegnung mit den Landschaftsbildern Peder Balkes (1804–1887) im Oberlichtsaal der Kunsthalle Krems setzt einen in Erstaunen und bringt so manche Erkenntnis über die oft eigentümlichen Mechanismen des Kunstgeschichtebetriebs, denn bei der Kremser Schau handelt es sich um die erste Retrospektive dieses Pioniers der Moderne außerhalb Norwegens. Zwar ist Peder Balkes ungewöhnliche Kunst einem kleinem Kreis von Kunstinteressierten stets präsent gewesen, schließlich besitzt auch der Pariser Louvre eine Reihe von Balke-Werken. Einer breiteren Öffentlichkeit wurde er aber erst durch ein 1996 verfasstes Buch des dänischen Malers Per Kirkeby bekannt, in dem dieser den Einzelgänger aufgrund seines eigenständigen Kunstbegriffs würdigte.

Balke, der seine Laufbahn zunächst als Dekorationsmaler begann, war ein vielgereister Mann: Neben Paris, Dresden und London besuchte er 1853 auch Wien. Bekannt wurde er in erster Linie nicht als Maler, sondern aufgrund seines unermüdlichen sozialpolitischen Engagements, das ihm einen bedeutenden Platz in der norwegischen Sozialgeschichte verschaffte. In den 1850er Jahren schloss er sich radikalen sozialistischen Bewegungen an, setzte sich für eine finanzielle wie politische Besserstellung der Armen ein, indem er eine Altersversicherung für alle Männer und Frauen forderte – und veranlasste den Bau eines Wohngebiets für unterprivilegierte Arbeiter und Handwerker.

Revolutionärer Umgang mit Materialien

Als Peder Balke 1887 an einem Schlaganfall starb, brachten viele Zeitungen umfassende Nachrufe. Erstaunlicherweise wurde in ihnen nur nebenbei erwähnt, dass sich der Sozialreformer in seiner Jugend auch als Maler versucht hatte. Lange kursierte das Gerücht, Balke habe aufgrund seines politischen Engagements aufgehört zu malen, was jedoch keineswegs der Fall war. Vielmehr schuf er unbemerkt von der Öffentlichkeit im Verborgenen seine experimentellen Malereien.

Beim Betreten des Oberlichtsaals steht man fasziniert vor den Landschaftsgemälden aus der späten Turner-Zeit, die vor allem durch ihren revolutionären Umgang mit Techniken und Materialien überzeugen. Losgelöst von akademischen Malweisen des 19. Jahrhunderts bearbeitete Balke die Leinwände mit groben Bürsten, verwischte die Farbe mit Stofffetzen, kratzte direkt in die frische Farbe oder bediente sich der Nass-in-Nass-Technik. Zugleich vereinfachte er seine Motive auf das Wesentliche bis zur beginnenden Abstraktion.

Zunächst fühlt man sich durch die Seestücke der nordnorwegischen Küste an die romantische Maltradition – etwa an Caspar David Friedrich – erinnert. Zu sehen sind eindrucksvolle Fels- und Wolkenformationen, dramatische Szenen von Segel- oder Ruderbooten im Kampf gegen die gewaltige Gischt des Meeres – und immer wieder Leuchttürme. Erst wenn man näher an die Gemälde herantritt, erkennt man ihre Modernität. Balke ging es, ähnlich wie Künstlern des 20. Jahrhunderts, weniger um die Abbildung der Natur, vielmehr kreierte er mit seiner Kunst eine parallele Wirklichkeit. Dabei spielen der Bilduntergrund und die weiße Grundierung eine bedeutende Rolle. Viele der Gemälde leben durch großflächige weiße Auslassungen. Wie fesselnd diese experimentellen Landschaften sind, spiegelt etwa „Mondlicht“ aus den späten 1870er Jahren, das in seiner reduzierten Farbgebung und den deutlich sichtbaren Wegwisch-Spuren beinahe ein gegenwärtiges Schwarzweißgemälde sein könnte. Nicht minder zeitgemäß erscheint auch „Von Nordland“ aus den 1860er Jahren – eine Meeresdarstellung, auf der Balke die Farbe mittels Messer wieder von der Leinwand geschoben hat, so dass sich an den Rändern dickere Farbreste abgelagert haben. Eine Arbeitsweise, die viel später auch Paul Klee verwendet hat und die das Gemälde in die Nähe von Gegenwartsmalern wie Gerhard Richter oder Herbert Brandl rücken.

Am Aufbruch der Moderne

Ausstellungskurator und Kunsthallen-Direktor Dieter Buchhart, der diese Personale gemeinsam mit dem Museum in Ordrupgaard initiierte, vergleicht den norwegischen Einzelgänger mit dem englischen Landschaftsmaler-Star William Turner, der in ähnlicher Weise, „wenn auch mit ganz anderen Mitteln, mit seinen Bestrebungen, die Dominanz der Form zu brechen, am Aufbruch zur Moderne steht“. – Eine kleine, aber mehr als sehenswerte Schau mit einem bemerkenswert fundierten Katalog, die aufs Neue zeigt, dass hochkarätige Präsentationen immer öfter außerhalb von Wien stattfinden.

Peder Balke. Ein Pionier der Moderne

Kunsthalle Krems

3500 Krems-Stein, Franz-Zeller-Platz 3

bis 15. Februar 2009, tägl. 10–17 Uhr

Katalog hg. von Dieter Buchhart, Kehrer Verlag, Heidelberg 2008, 112 Seiten, e 19,–

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