Nostalgiefahrt zur Endstation Sehnsucht

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Tennessee Williams’ Erfolgsstück "Endstation Sehnsucht“ am Burgtheater ist trotz großartiger Schauspielerleistungen nur eine artige Produktion.

Auf die Freundlichkeit Fremder kann sich Blanche DuBois nicht mehr verlassen: Job, Ehemann und Geld sind weg, nur ein paar schöne Kleider erinnern noch an bessere Tage als Plantagenbesitzerin. Die Südstaatendiva mit dem überspannten Nervenkostüm sucht deshalb Zuflucht bei ihrer kleinen Schwester in New Orleans. Die hat dem großbürgerlichen Leben schon lange den Rücken gekehrt und lebt mit ihrem gewalttätigen Ehemann in bescheidenen Verhältnissen. Ein spannungsgeladenes WG-Leben ist damit vorprogrammiert und wächst sich langsam zur existenziellen Bedrohung für alle Beteiligten aus. Tennessee Williams’ Erfolgsstück "Endstation Sehnsucht“ aus dem Jahr 1947 erzählt vom explosiven Aufeinandertreffen zweier Welten in Zeiten des Umbruchs.

Kein erkennbares Regiekonzept

Für das Burgtheater hat Dieter Giesing, der zuletzt mit seiner "Professor Bernhardi“-Produktion bei Publikum und Presse reüssieren konnte, den mehrfach ausgezeichneten Klassiker auf die Bühne gebracht. Giesing zeigt eine schnörkellose, mit wenigen Streichungen und Adaptierungen versehene, aber auch sehr konventionell inszenierte Bearbeitung. Es ist eine Nostalgiefahrt in eine vergangene Theaterwelt, der es an Einfällen und Akzenten, überhaupt an einem dramaturgischen Handlungsbogen fehlt. Giesing verlässt sich vielmehr auf das Spiel seines Schauspielensembles, das glücklicherweise hervorragend ist und auch ohne erkennbares Regiekonzept zu überzeugen weiß.

Bereits beim Bühnenbild deuten sich die Schräglagen, in welche die drei Hauptfiguren geraten sind, an. Schiefe Türen, schiefe Fenster und darin eine Campingliege für den ungebetenen Dauergast. Plastikmöbel und Plastikgeschirr und das kalte Licht aus nackten Glühlampen verstärken den billigen Motel-Effekt noch zusätzlich. Drei Stunden lang, unterbrochen von kurzen Umbau- oder eher Umstellarbeiten, wird darin der allmähliche psychische Verfall von Blanche zelebriert. Dörte Lyssewski spielt sie als enervierendes und zugleich liebenswürdiges Wesen, das auf High Heels und im String-Tanga von einer grausamen Lebensfügung in die nächste stöckelt und dabei jeden Moment ihre seelische und körperliche Balance zu verlieren droht. Nur in ihrer Traumwelt, die sie für sich und ihre Schwester Stella (Katharina Lorenz) errichtet hat, ist noch alles in Ordnung.

In der bedrückenden Realität einer engen Einzimmerwohnung poltert jedoch Stellas Ehemann immer wieder quer durch diese mühsam aufgebaute Scheinwelt. Nicholas Ofczarek mimt den brutalen Ungustl Stanley im Marlon-Brando-Hemd mit beängstigender Überzeugungskraft. Seine Demütigungen und Aggressionen steigern sich von Szene zu Szene, bis zum Schluss ein Sesselrücken und kurzes Fäusteballen reichen, um die bedrohliche Grundstimmung wiederaufleben zu lassen. Dem Sohn polnischer Einwanderer gehen die Allüren und Pflegebäder seiner Schwägerin mitten in der flirrenden Hitze von New Orleans bald derart auf die Nerven, dass er auch seinem Freund Mitch (Dietmar König), der sich für Blanche zu interessieren beginnt, die Liaison madig machen wird. Mittendrin steht die naiv fürsorgliche Stella zwischen allen Stühlen.

Das Theatereinmaleins

"Ich will Zauber“, ruft Blanche gegen Ende des Stücks ihrem unsentimentalen Liebhaber Mitch zu - und auch als Zuschauer vermisst man zauberhafte Momente, denn dieser Premierenabend ist, trotz schauspielerischer Hochleistungen, zu spannungsarm gestaltet und bietet keine wirklichen Höhepunkte.

Das Theatereinmaleins ist unbarmherzig: Eine Inszenierung frei von dramaturgischen Akzenten und Regieeinfällen macht aus einer großartigen Stückvorlage und großartigem Schauspiel keine großartige, sondern nur eine ganz artige Aufführung.

Weitere Termine:

2., 4., 6., 12., 13., 24. Feb.

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