Notausgang für Rebellen

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Das Stück "Sieben Türen" von Botho Strauß in Graz.

Das Dilemma ist, wir verlieren uns aus den Augen. Wir brauchen nur den Mund aufzumachen. Wir strampeln im trüben Teich, in dem Kaulquappen wimmeln. Und wollten doch eigentlich auf das Meer der großen Gefühle auslaufen. Botho Strauß ahnte, woran wir letztlich immer wieder aufs Neue scheitern werden. An Kleinigkeiten, an alltäglichen Missverständnissen, die dann Blasen werfen, die zerplatzen. Wir können nicht anders und lachen und retten uns mit dieser Erkenntnis ans andere Teichufer.

"Sieben Türen" heißt das Stück von Botho Strauß, das Dieter Boyer auf der Probebühne des Grazer Schauspielhauses, 18 Jahre nach seiner Uraufführung, grandios inszeniert hat. Strauß hat aus zehn aneinander gereihten Minidramen eine Hand voll Figuren entlassen, die lustvoll, meist paarweise "am Saum des Feuers tanzen". Ihr Glück ist immer hier, und sie müssen es jagen. Immer unterwegs. Niemals zu spät. Honorige Selbstmörder, wunschlose Bräute, greise Besserwisser und junge Exliebhaberinnen strömen auf die Bühne und preisen in ironisch blitzenden Momentaufnahmen ihre Huschhusch-Seelchen. Nein, sie werden das Meer der großen Gefühle nicht mehr erreichen. Es geht ihnen nicht gut, aber es gibt keine Veranlassung, die verzerrte Perspektive zu korrigieren und die halb offenen Türen zu schließen.

Botho Strauß vermeidet es, vom "Verlust der Mitte" zu reden, vielleicht ist es ihm ja zu banal, zu sentimental. Er setzt seine Protagonisten an die Ränder einer Gesellschaft, die seit langem an ihrer Halt-und Formlosigkeit laboriert, und lässt sie an ihrer Exzentrik leiden. Seine Rebellen verfolgen andere Ziele. Sie gehen aufs Ganze in einer von top gekleideten Teilhabern gemanagten Welt. Die Straußschen Rebellen verkneifen sich die richtige Antwort bei Armin Assinger. Sie suchen nach Wahrheit in einem durch Votings geregelten Öffentlichkeitskodex. Auch dieser Theaterabend hat vom Straußschen Rebellentum (und intensivstem Schauspiel) gelebt. Und so durfte man nach heftigem Applaus durch den einzig möglichen Ausgang wieder nach Hause gehen. Und unseren postmodernen Irrfahrten nachlächeln.

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