Hudalzwei - © Foto: Alois Hudal

NS-Verbinder beim Vatikan

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Eine neue Biografie nähert sich der schillernden Persönlichkeit von Bischof Alois Hudal, der in den Vorhöfen des Vatikans guten Wind für die nationalsozialistische Sache zu machen suchte.

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Eine neue Biografie nähert sich der schillernden Persönlichkeit von Bischof Alois Hudal, der in den Vorhöfen des Vatikans guten Wind für die nationalsozialistische Sache zu machen suchte.

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Johannes Sachslehner, Historiker und Lektor der Styria-Verlagsgruppe, hat sich in den letzten Jahren der publizistischen Ausleuchtung dunkler Flecken österreichischer Geschichte rund um die Schoa verdient gemacht. Vor zwei Jahren veröffentlichte er etwa die Biografie Franz Murers, des NS-Massenmörders an den Juden von Wilna, und thematisierte die Justizschande des Freispruchs Murers durch ein Grazer Geschworenengericht 1963 („Rosen für den Mörder“, 2017).

Nun nimmt sich Sachslehner einer weiteren Dunkelgestalt der Zeitgeschichte an: des österreichischen Bischofs Alois Hudal (1885–1963), der zwischen 1923 und 1952 Rektor der Anima, der deutschen Nationalkirche in Rom war und in dieser Zeit ein in vielerlei Hinsicht unsegensreiches Wirken entfaltete: „Hitlers Mann im Vatikan“ – der Buchtitel ist gar reißerisch, weil Hitler weder einen Mann im Vatikan wirklich „hatte“ noch benötigte. Aber als Personifikation einer skandalösen Liaison zwischen katholischem Christsein und Nationalsozialismus fungiert Hudal bis heute. Dabei, auch das wird aus Sachslehners spannenden wie akribischen Ausführungen klar, war Hudal viel eher ein Möchtegern-Nazi denn ein ernst zu nehmender Brückenbauer zwischen der NSDAP und der katholischen Kirche, als der er sich selbst stilisiert hat. Hudals verheerende Wirkmächtigkeit entfaltete sich vor allem nach Kriegsende, als die Hudal’schen Netzwerke den schlimmsten Kriegsverbrechern des Dritten Reiches zur Flucht verhalfen.

Von Kirchenspitze auf Distanz gehalten

Auch wenn die großen Kritiker der kirchlichen Performance gegenüber den Nazis, Daniel Goldhagen etwa, Hudal als verlängerten pronazistischen Arm der Kirchenspitze sehen, stimmt Sachslehner nicht in den Chor der Pius XII.-Gegner ein, die diesen Papst sein Verhalten in jener Zeit um die Ohren schmeißen. Sachslehner weist klar darauf hin, dass, im Gegensatz etwa zu Goldhagens Behauptungen, Pius XII. oder sein Vertrauter Msgr. Montini (der spätere Papst Paul VI.) nicht nur keine Freunde Hudals waren, sondern, weil sie um seine Umtriebe wussten, ihn auf Distanz hielten. Dennoch kritisiert auch Sachslehner das Schweigen der Kirchenspitze vom Papst abwärts zur Judenverfolgung. Gleichzeitig offenbaren sich in den Schilderungen der Vorgänge in den Vorhöfen des Vatikans, wie sehr byzantinische Hofintrigen und Machtspiele an der Tagesordnung waren. Wer die heutigen Umtriebe an der Kurie degoutant findet, kann bei Sachslehner nachlesen, wie es hier schon in den 1930er bis 1950er Jahren zuging.

Sogar um Alois Hudal als amtierenden Rektor der Anima loszuwerden, sprach der Papst keineswegs selber ein Machtwort, sondern er veranlasste über seinen Wiener Nuntius die österreichischen Bischöfe dazu, ihn abzuberufen. Auch hier zeigt sich dem aktuellen Kirchenbeobachter, dass das Hintenherum-Agieren offenbar in den Genen der Institution lag – und das vom Papst angefangen bis zu den österreichischen Bischöfen, die bei der Absetzung Hudals 1951/52, die sie ja alle unterschrieben hatten, nicht dabeigewesen sein wollten.

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