Nun auch noch der Auslands-Oscar

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Zuletzt redete er sich persönlich beinahe um Kopf und Kragen: Als sich Lars von Trier im Frühjahr 2011 bei den Filmfestspielen in Cannes sehr unpassend zu Adolf Hitler äußerte wurde er gar vom Festival ausgeschlossen. Mittlerweile gelobte der dänische Ausnahmeregisseur Interview-Abstinenz, da er sich offenbar nicht ordentlich ausdrücken könne …

Die letztjährigen Kalamitäten des sensiblen Filmemachers, der wegen seiner Flugangst auch nie ein Flugzeug besteigt, tun seinem künstlerischen Erfolg keinen Abbruch. Sein Endzeitdrama "Melancholia“ gewann 2011 als "Bester Film“ den Europäischen Filmpreis - eine Auszeichnung, die Lars von Trier auch schon 1996 für "Breaking the Waves“ und 2000 für "Dancer in the Dark“ einheimsen konnte. 2003 hatte er für "Dogville“ dort die Auszeichung für die "Beste Regie“ erhalten.

2011 war insgesamt ein weiteres Jubeljahr für den dänischen Film, der für ein 5,5-Millionen-Volk eine erstaunliche internationale Resonanz zeigt: Susanne Biers "In einer besseren Welt“, eine Familiengeschichte, die auch im Entwicklungshilfe-Milieu spielt, errang letztes Jahr den Auslandsoscar . Zuvor war das schon Gabriel Axels "Babettes Fest“ (1987) und "Pelle, der Eroberer“ von Bille August (1988) gelungen.

Die Dogmen des Dogma-Films

Weltruf errang der dänische Film durch das 1995 von den vier Regisseuren Lars von Trier, Thomas Vinterberg, Kristian Levring und Søren Kragh-Jacobsen unterzeichnete "Dogma-Manifest“, das sehr bald Kultstatus errang: Die damals jungen Wilden wollten das effekthaschende Kino diesseits und jenseits des Atlantiks bekämpfen, indem sie strikte Regeln für ein möglichst "wirklichkeitsnahes“ Filmemachen aufstellten. So durften Dogma-Filme nur an Originalschauplätzen ohne Requisiten und Beleuchtung gedreht werden, Musik durfte nicht nachträglich zugemischt werden, auch Spezialeffekte waren verpönt. Außerdem musste der ganze Film mit Handkameras gedreht werden.

All diese Vorgaben führten zu einer Reihe von exzeptionellen Arbeiten: "Das Fest“ ("Festen“, Thomas Vinterberg 1998), "Idioten“ ("Idioterne“, Lars von Trier 1998), "Mifune - Dogma III“ ("Mifunes sidste sang“, Søren Kragh-Jacobsen 1999) sowie im Jahr 2000 mit "Italienisch für Anfänger“ ("Italiensk for begyndere“) von Lone Scherfig der erste Dogma-Film einer Regisseurin.

Wiewohl die Filmkritik die Dogma-Bewegung der 90er-Jahre etwa mit der französischen Nouvelle Vague, die 30 Jahre zuvor Filmgeschichte geschrieben hatte, verglich, stellte sich schnell heraus, dass - Nomen est Omen - die "Dogmen“ zu einer starken Einschränkung der Kreativität führten und letztlich in eine künstlerische Sackgasse mündeten. Die Dogma-Bewegung war ein Aufbruch, aber auch ihre Protagonisten gehen heute längst eigene, nicht durchs Dogma-Korsett eingeschränkte Wege.

Der dänische Film bleibt in Europas cineastischer Landschaft aber weiterhin eine bedeutende Größe - und ein künstlerischer Lichtblick.

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